Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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Strecken fehlt er überhaupt ganz. Natürlich tritt 
da eine Ausnahme ein, wo größere Nebenflüsse 
oder kleine Quellwässerchen in den Hauptstrom 
einmünden. Hier entwickelt sich ein anderer, viel 
reicherer Wald. An einem solchen kleinen Zu- 
flüßchen des Pende, mit sandigen Ufern, die mit 
lichten mannshohen Sträuchern bestanden und von 
höheren Bäumen beschattet waren, sah ich die 
Glossina palpalis auf Baumstämmen sitzen, auf 
die durch das Blätterdach ein Sonnenfleck fiel. 
Ganz ähnlich wie damals in Gore liegen auch 
die Verhältnisse am Borro. Der Uferwald ist 
dicht, aber für das Sonnenlicht durchlässig, der 
Fluß ein strömender Bach mit sandigen Ufern. 
Es scheint, daß die Glossina palpalis ein 
dichtes, aber für die Sonnenstrahlen durchlässiges, 
womöglich von hohen Bäumen überschattetes Ufer- 
gebüsch und sandige Ufer bevorzugt. Ob das 
Wasser fließend ist oder stehend, scheint nicht von 
ausschlaggebender Bedeutung zu sein. Bemerken 
muß ich noch, daß die Glossinen sich in beiden 
Fällen an viel begangenen Flußübergangsstellen 
finden. Es scheint, als ob ihre Nahrung vorzugs- 
weise aus Menschenblut bestehe, denn Kaltblüter 
gibt es an diesen Stellen nicht, und außer einigen 
Vögeln leben nur Eichhörnchen in den Zweigen. 
lber diese Dinge werde ich vielleicht später nach 
Untersuchung meiner Blutpräparate näheren Auf- 
schluß geben können. , 
Zur Vorbeugung einer Einschleppung der 
Schlafkrankheit kann ich nur das wiederholen, 
was ich bereits früher erwähnte. Der Schwer- 
punkt der Bekämpfung liegt in der Verhütung 
einer Einschleppung von Krankheitsfällen vom 
Süden nach dem Norden. Alle übrigen Maß- 
nahmen sind nebensächlich. Eine Abholzung des 
von Glossinen bewohnten Uferwaldes ist bei seiner 
gewaltigen Ausdehnung und der Mächtigkeit seines 
Wuchses praktisch unausführbar. Selbst wenn 
eine solche Möglichkeit bestände, würde die mit 
der Abholzung verbundene Vernichtung eines der 
wichtigsten und wertvollsten Naturprodukte dieser 
Gegend, des Kautschuks, eine solche Maßnahme 
durchaus verbieten. Im übrigen ist es noch die 
Frage, ob im Falle einer Abholzung, über deren 
Endzweck man überhaupt verschiedener Ansicht 
sein kann, auch die Glossinen ausgerottet werden 
könnten. Sicherlich ist auch den Glossinen ein 
Anpassungsvermögen an gänzlich veränderte Ver- 
hältnisse eigen, wie wir es bereits an einer Reihe 
von Beispielen aus der Tierwelt kennen. Wenn 
ich nicht irre, hat man in Zentralafrika bereits 
beobachtet, daß nach völliger Beseitigung des 
Busches die Glossinen nach wie vor vorhanden 
waren, nur hatten sie sich jetzt das zerklüftete 
schattige Ufergestein zu ihrem Aufenthalt gewählt. 
Weit schwieriger, als die Lebensbedingungen 
  
der Glossina palpalis zu ergründen, von der wir 
wenigstens wissen, daß Wasser und schattiges Ge- 
strüpp zu ihrer Existenz nötig sind, ist es, sich 
eine Erklärung über die Lebensgewohnheiten der 
Glossina morsitans zu geben. In einem Gebiete, 
das in der Oberflächengestaltung und Vegetation, 
überhaupt in allen geopraphischen Punkten, dem 
anderen durchaus gleich scheint, kommt die Glos- 
sina morsitans zu Hunderten vor, im anderen 
fehlt sie gänzlich und immer. Geradezu auf- 
fallend ist es, daß die Tsetse in Gebieten, wo es 
nur wenig Wild gibt, in großer Menge, in an- 
deren, unmittelbar an jene angrenzenden Gebieten, 
wo es von Wild wimmelt, dagegen nicht vor- 
kommt. Hier am Uam, wo sich die Vegetation 
und die Oberflächengestaltung des Landes kaum 
von dem Norden unterscheidet, ist die Tsetsefliege 
nirgends nachzuweisen, obwohl zahlreiches Wild 
vorhanden ist. Dieses Gebiet aber grenzt im 
Norden an wildarme Gebiete, in denen die 
Glossinen weit häufiger sind. Ahnliche Beobach- 
tungen habe ich auch in Ostafrika machen können. 
Nach gemeinsamen Feststellungen bleibt die 
Glossina morsitans auf das östliche Ufer des 
Pende beschränkt. Die Grenze nach Westen und 
Süden verläuft etwa von Gore am Pende ent- 
lang bis zum 7. Breitengrad und geht dann nach 
Osten bis zum Nana Baria. Auf dieser Strecke 
fällt sie mit den Ausläufern des Jade-Plateaus 
zusammen. Wie weit die Glossinen nach Osten 
in französisches Gebiet vordringen, ist nicht be- 
kannt. Weiter südlich, am großen Nordbogen 
des Uam, in der ganzen Umgegend von Bosum, 
südlich und östlich von Bate kommt sie nicht mehr 
vor. Ebenso soll sie nach den Angaben der fran- 
zösischen Grenzkommission in dem ganzen Gebiet 
zwischen Uam und der Pamaquelle fehlen. Auch 
die Glossina palpalis soll hier nicht vorkommen. 
Eine ganz genaue Angabe des Verbreitungs- 
gebietes beider Glossinenarten wird erst nach 
Fertigstellung der neuen Karten von Gore bis 
zum Pama möglich sein. Anzufügen ist noch, 
daß die Glossina morsitans dort, wo sie auf- 
tritt, nicht sehr häufig ist. Über den Grad der 
Infektion des Wildes wird sich später an der 
Hand meiner Blutpräparate Näheres sagen lassen. 
Wie ich schon in meinem Bericht vom 1. Ja- 
nuar für die nördlichen Gebiete das Fehlen der 
Überträger des Rückfallsiebers und das Fehlen 
der Sandflöhe feststellen konnte, so kann ich auch 
für die jetzt bereisten Gebiete diese erfreuliche 
Tatsache bestätigen. Die von mir erwähnten 
lästigen Sandfliegen im Norden sind ebenfalls fast 
gänzlich verschwunden, doch ist das Vorkommen 
verschiedener, anscheinend für den Menschen nicht 
patogener Stechfliegen (Tabaniden) in der Nähe 
der Galeriewälder häufiger geworden.
	        
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