Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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den Lavastrom ist eine Einbuchtung im Kiwusee, 
die einen guten natürlichen Hafen geboten hat 
und deswegen als Landungsplatz für eine Ver- 
bindung mit dem englischen Gebiet in Aussicht 
genommen gewesen sein soll, vollständig zuge- 
schüttet worden. « 
Am 3. März besichtigte ich die in der Nähe 
von Kissenji gelegene Station Njundo der Weißen 
Bäter, woselbst sich zur Zeit der Bischof Hirth 
aufhielt, der sich in langer, nahezu 40jähriger 
Tätigkeit um die Ausbreitung des Christentums 
zuerst in Uganda, später in unserem Zwischen- 
seengebiet verdient gemacht hat. Nach der kürzlich 
erfolgten Neueinteilung sind Ruanda und Urundi 
zu einem Apostolischen Vikariat Kiwu unter Lei- 
tung des Bischofs Hirth vereinigt, während nur 
noch die an den Viktoriasee angrenzenden Ge- 
biete das Vikariat Südnjansa bilden. Außer einer 
großen, schönen Kirche befanden sich in Njundo 
auf dem Hügel eine Reihe anderer für die Woh- 
nungen der Missionare und für Schulzwecke be- 
stimmter ansehnlicher Gebäude. Auch hier sind 
Forstkulturen geschaffen worden, besonders von 
dem einheimischen Misawibaum, der brauchbares 
Bauholz liefert, und von Eukalyptus. Etwas 
unterhalb des Hügels stehen die Gebäude für die 
Schwestern, die gleichfalls recht Anerkennenswertes 
in der Schaffung von Frucht= und Gemüsegärten 
geleistet haben. Die weibliche Jugend der Um- 
gebung, die den Unterricht der Schwestern genießt, 
war in großer Zahl versammelt. Der Erfolg 
der unter der bewährten Leitung des Bischofs 
Hirth arbeitenden Missionen ist hier, wie über- 
haupt in Ruanda, günstig. Allerdings zeigen sich 
die Watussi, dem Beispiele Msingos folgend, noch 
dem Christentum abgeneigt. Dagegen sind viele 
Wahutu bekehrt worden. Die Zahl der ins- 
gesamt in Ruanda von den Weißen Bätern ge- 
tauften Eingeborenen wurde auf etwa 10 000 
geschätzt. Dazu kommen beträchtliche Zahlen von 
Katechumenen. 
Am Abend empfing ich den Besuch des bel- 
gischen Kommandanten Derche, der den an unser 
Gebiet angrenzenden Bezirk verwaltet. Im Laufe 
der Unterhaltung beim Abendessen erhielt ich wert- 
volle Aufklärungen über die Verwaltung jener 
Teile des belgischen Kongo. 
Am 4. und 5. März fuhren wir in großen, 
mit je 11 Ruderern besetzten Einbäumen der 
Eingeborenen in insgesamt acht= bis neunstündiger 
Fahrt bis zur Mecklenburgbucht. Die Ein- 
geborenen bewegen die Boote mit kurzen Paddeln 
sehr geschickt vorwärts. Sie halten die Einbäume 
stets in nicht zu großer Entfernung vom Ufer, 
damit sie bei plötzlich ausbrechenden Stürmen und 
heftigen Winden, die sehr häufig sein sollen, Schutz 
suchen können. Trotz dieser Vorsichtsmaßregeln 
  
sind verschiedentlich Unglücksfälle mit Verlusten 
von Menschenleben vorgekommen, allerdings meist 
nur dann, wenn von den Ufern fern gelegene 
Inseln besucht wurden oder wenn, wie es vor- 
gekommen ist, Europäer in Verkennung der Ge- 
fahren des Sees den Eingeborenen die Landung 
verboten und die Weiterfahrt erzwungen haben. 
Die Fahrt ist herrlich, besonders auf der letzten 
Strecke, wo sie an einer Reihe kleiner pittoresker 
Inseln vorbeiführt, während dahinter die blauen 
Linien der hohen Randberge sich vom Horizont 
abheben. 
Bei dem beständig bergauf und bergab führen- 
den Weitermarsch wurde am 5. März die Station 
Lubengera und am 7. März die Station Kirinda 
der Bielefelder Mission besucht. Bei der letzteren, 
welche unter Leitung des mit seiner Gattin hier 
wohnenden Pastors Röseler steht, erfreuen gleich- 
falls Forstkulturen nach dem Marsch durch das 
baumlose Land das Auge, während in Lubengera 
besonders eine große Tischlerwerkstatt hervor- 
zuheben ist. Am 7. März wurde unter Schwierig= 
keiten, da nur zwei kleine Kähne vorhanden waren, 
der hier nur 30 m breite Njawarongo überschritten. 
Das Land ist überall dicht besiedelt, allenthalben 
weiden beträchtliche Viehherden. Unterwegs trafen 
wir mit der auf dem Landweg von Kissenji vor- 
ausmarschierten 11. Kompagnie zusammen, die 
uns bis Njansa begleiten und dann ihren Übungs- 
marsch weiter fortsetzen sollte. Nachdem auf dem 
Weitermarsch ein Dorf der sehr geschickten Batwa- 
töpfer besichtigt war, wurde am 9. März Njansa, 
die Residenz des Sultans Msinga, erreicht. 
Schon zwei Stunden vorher kam uns in 
einer den Oberkörper größtenteils freilassenden 
Festtracht eine Anzahl bochgewachsener schlanker 
Watussi entgegen, die Msinga zur Begrüßung ent- 
gegengeschickt hatte. Je mehr wir uns der Re- 
sidenz näherten, um so größer wurde die Zahl 
der von allen Seiten zusammenströmenden Ein- 
geborenen —, übrigens auch hier ausschließlich 
Männer. Auf den freien Flächen außerhalb des 
Sultansitzes erwarteten uns dichte Scharen von 
mit Speeren bewaffneten Eingeborenen, deren 
Zahl auf etwa 10 000 bis 15 000 geschätzt wurde. 
Nachdem wir das Lager aufgeschlagen hatten, 
erschien Msinga selbst, in einer Sänfte getragen, 
in seinem durch Abbildungen in den Werken des 
Dr. Kandt und des Herzogs Adolf Friedrich 
bekannten Festkostüm. Msinga mißt jetzt 2,02 m 
und ist einer der größten seines Volkes. Er spricht 
fließend Kisuaheli und zeigt viel Verständnis für 
außerhalb seines Herrscherbereichs liegende Dinge, 
obwohl er durch Herkommen verhindert ist, den 
Njawarongo zu überschreiten und deshalb nur 
einen beschränkten Teil seines eigenen Landes 
Ruanda kennt.
	        
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