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den Lavastrom ist eine Einbuchtung im Kiwusee,
die einen guten natürlichen Hafen geboten hat
und deswegen als Landungsplatz für eine Ver-
bindung mit dem englischen Gebiet in Aussicht
genommen gewesen sein soll, vollständig zuge-
schüttet worden. «
Am 3. März besichtigte ich die in der Nähe
von Kissenji gelegene Station Njundo der Weißen
Bäter, woselbst sich zur Zeit der Bischof Hirth
aufhielt, der sich in langer, nahezu 40jähriger
Tätigkeit um die Ausbreitung des Christentums
zuerst in Uganda, später in unserem Zwischen-
seengebiet verdient gemacht hat. Nach der kürzlich
erfolgten Neueinteilung sind Ruanda und Urundi
zu einem Apostolischen Vikariat Kiwu unter Lei-
tung des Bischofs Hirth vereinigt, während nur
noch die an den Viktoriasee angrenzenden Ge-
biete das Vikariat Südnjansa bilden. Außer einer
großen, schönen Kirche befanden sich in Njundo
auf dem Hügel eine Reihe anderer für die Woh-
nungen der Missionare und für Schulzwecke be-
stimmter ansehnlicher Gebäude. Auch hier sind
Forstkulturen geschaffen worden, besonders von
dem einheimischen Misawibaum, der brauchbares
Bauholz liefert, und von Eukalyptus. Etwas
unterhalb des Hügels stehen die Gebäude für die
Schwestern, die gleichfalls recht Anerkennenswertes
in der Schaffung von Frucht= und Gemüsegärten
geleistet haben. Die weibliche Jugend der Um-
gebung, die den Unterricht der Schwestern genießt,
war in großer Zahl versammelt. Der Erfolg
der unter der bewährten Leitung des Bischofs
Hirth arbeitenden Missionen ist hier, wie über-
haupt in Ruanda, günstig. Allerdings zeigen sich
die Watussi, dem Beispiele Msingos folgend, noch
dem Christentum abgeneigt. Dagegen sind viele
Wahutu bekehrt worden. Die Zahl der ins-
gesamt in Ruanda von den Weißen Bätern ge-
tauften Eingeborenen wurde auf etwa 10 000
geschätzt. Dazu kommen beträchtliche Zahlen von
Katechumenen.
Am Abend empfing ich den Besuch des bel-
gischen Kommandanten Derche, der den an unser
Gebiet angrenzenden Bezirk verwaltet. Im Laufe
der Unterhaltung beim Abendessen erhielt ich wert-
volle Aufklärungen über die Verwaltung jener
Teile des belgischen Kongo.
Am 4. und 5. März fuhren wir in großen,
mit je 11 Ruderern besetzten Einbäumen der
Eingeborenen in insgesamt acht= bis neunstündiger
Fahrt bis zur Mecklenburgbucht. Die Ein-
geborenen bewegen die Boote mit kurzen Paddeln
sehr geschickt vorwärts. Sie halten die Einbäume
stets in nicht zu großer Entfernung vom Ufer,
damit sie bei plötzlich ausbrechenden Stürmen und
heftigen Winden, die sehr häufig sein sollen, Schutz
suchen können. Trotz dieser Vorsichtsmaßregeln
sind verschiedentlich Unglücksfälle mit Verlusten
von Menschenleben vorgekommen, allerdings meist
nur dann, wenn von den Ufern fern gelegene
Inseln besucht wurden oder wenn, wie es vor-
gekommen ist, Europäer in Verkennung der Ge-
fahren des Sees den Eingeborenen die Landung
verboten und die Weiterfahrt erzwungen haben.
Die Fahrt ist herrlich, besonders auf der letzten
Strecke, wo sie an einer Reihe kleiner pittoresker
Inseln vorbeiführt, während dahinter die blauen
Linien der hohen Randberge sich vom Horizont
abheben.
Bei dem beständig bergauf und bergab führen-
den Weitermarsch wurde am 5. März die Station
Lubengera und am 7. März die Station Kirinda
der Bielefelder Mission besucht. Bei der letzteren,
welche unter Leitung des mit seiner Gattin hier
wohnenden Pastors Röseler steht, erfreuen gleich-
falls Forstkulturen nach dem Marsch durch das
baumlose Land das Auge, während in Lubengera
besonders eine große Tischlerwerkstatt hervor-
zuheben ist. Am 7. März wurde unter Schwierig=
keiten, da nur zwei kleine Kähne vorhanden waren,
der hier nur 30 m breite Njawarongo überschritten.
Das Land ist überall dicht besiedelt, allenthalben
weiden beträchtliche Viehherden. Unterwegs trafen
wir mit der auf dem Landweg von Kissenji vor-
ausmarschierten 11. Kompagnie zusammen, die
uns bis Njansa begleiten und dann ihren Übungs-
marsch weiter fortsetzen sollte. Nachdem auf dem
Weitermarsch ein Dorf der sehr geschickten Batwa-
töpfer besichtigt war, wurde am 9. März Njansa,
die Residenz des Sultans Msinga, erreicht.
Schon zwei Stunden vorher kam uns in
einer den Oberkörper größtenteils freilassenden
Festtracht eine Anzahl bochgewachsener schlanker
Watussi entgegen, die Msinga zur Begrüßung ent-
gegengeschickt hatte. Je mehr wir uns der Re-
sidenz näherten, um so größer wurde die Zahl
der von allen Seiten zusammenströmenden Ein-
geborenen —, übrigens auch hier ausschließlich
Männer. Auf den freien Flächen außerhalb des
Sultansitzes erwarteten uns dichte Scharen von
mit Speeren bewaffneten Eingeborenen, deren
Zahl auf etwa 10 000 bis 15 000 geschätzt wurde.
Nachdem wir das Lager aufgeschlagen hatten,
erschien Msinga selbst, in einer Sänfte getragen,
in seinem durch Abbildungen in den Werken des
Dr. Kandt und des Herzogs Adolf Friedrich
bekannten Festkostüm. Msinga mißt jetzt 2,02 m
und ist einer der größten seines Volkes. Er spricht
fließend Kisuaheli und zeigt viel Verständnis für
außerhalb seines Herrscherbereichs liegende Dinge,
obwohl er durch Herkommen verhindert ist, den
Njawarongo zu überschreiten und deshalb nur
einen beschränkten Teil seines eigenen Landes
Ruanda kennt.