Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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An anderen Morgen fand zunächst im Bei- 
sein Msingas und seiner Großen sowie der eifrig 
zuschauenden Volksmenge ein scharfes Gefechts- 
schießen der 11. Kompagnie mit Maschinengewehr 
und Einzelfeuer statt, das großen Eindruck auf 
den Sultan und seine Leute zu machen schien, 
nachher eine kleine Gefechtsübung unter Ver- 
wendung von Platzpatronen, bei der das Polizei- 
begleitkommando den Feind abgab. Auch hierbei 
zeigte sich das größte Interesse auf seiten der 
Wanjaruanda. Später machte ich mit meinen 
Begleitern und den Schutztruppenoffizieren Msinga 
meinen Gegenbesuch. Letzterer kam mir in dem 
durch eine Umzäunung von der Außenwelt ab- 
geschlossenen großen Raum vor seiner nach Ein- 
geborenenart gebauten, nur größeren und mit 
einer Art Terrasse versehenen Hütte entgegen. 
Wir setzten uns auf den terrassenförmigen Vorbau 
und sahen den nun beginnenden Tänzen zu. 
Zunächst erschienen abwechselnde Gruppen von je 
40 bis 50 schlanken Watussijünglingen, die mit 
Leoparden= oder Servalfellen bekleidet waren und 
als Kopfschmuck einen Kranz von Haaren des 
Kolobusaffen, daneben noch Perlen und sonstigen 
Schmuck trugen. In der rechten Hand hielt jeder 
Tänzer den Speer und in der linken Pfeil und 
Bogen. Die Tänze waren vorzüglich eingeübt, 
sie bestanden meistens in manchmal recht kompli- 
zierten rhythmischen Fußbewegungen und Sprüngen. 
Dann folgten Tänzer, die unter Körper= und Arm- 
verdrehungen die Bewegungen des Kronenkranichs 
nachmachten, schließlich eine Gruppe Tänzer aus 
Kissaka, die durch Armhaltung und schnelle Vor- 
wärtsbewegungen der Füße das Schweben der 
Vögel ausgezeichnet nachahmten. Nach Beendi- 
gung der Tänze begaben wir uns ius Freie, 
draußen fand Hochspringen und dann Speerwerfen 
statt. Die Leistungen waren hervorragend. Mehrere 
Watussi sprangen mit kurzem Anlauf, noch dazu 
etwas bergauf, unter Benutzung einer kleinen 
Rasenerhöhung als Absprung, über einen Bambus- 
stab, dessen Höhe über dem Erdboden 2,40 m 
betrug. Die wirklich gesprungene Höhe betrug 
unter Abrechnung jenes natürlichen Sprungbrettes 
2,01 m. Beim Speerwerfen bedienten sich die 
Watussi ganz dünner Speere von etwa 1½ m 
Länge, zum Teil sogar eines einfachen dünnen 
Stockes von noch geringerer Länge und erzielten 
beim Wurf aus freier Hand, bei kurzem Anlauf, 
Wurfweiten bis zu 90 m. Nach Beendigung der 
Spiele fand auf besonderen Wunsch Msingas noch 
ein Exerzieren der 11. Kompagnie statt, wobei 
ein farbiger Unteroffizier die Kommandos abgab. 
Die in der Tat vorzüglich klappenden Griffe und 
Wendungen erregten große Bewunderung. 
Am Nachmittag erschien Msiinga nochmals bei 
strömendem Regen in seiner Sänfte und von seiner 
  
Batwakapelle begleitet, die, neben der Sänfte her- 
laufend, beständig einen eigenartigen, mehrstimmi- 
gen Gesang ertönen läßt. Ich hatte im Beisein 
des Residenten Dr. Kandt längere Besprechungen 
mit Msinga, insbesondere über die Auslbung der 
Gerichtsbarkeit durch ihn, die übrigens bisher noch 
zu keinen Klagen Anlaß gegeben hat, während 
der Sultan Grenzangelegenheiten zur Sprache 
brachte. Minga ließ bei Beginn der Besprechungen 
sein gesamtes Gefolge sich außer Hörweite ent- 
fernen, obwohl von den hohen Watussi-Häupt- 
lingen seiner Umgebung niemand Suaheli versteht. 
Am nächsten Morgen (11. März) wurde der 
Weitermarsch angetreten, an dem auch Stabsarzt 
Dr. Schumacher bis Ussuwi teilnahm, von wo 
ab Stabsarzt Dr. Ullrich aus Tabora die Expedition 
begleitete, während die Kompagnie ihren Übungs- 
marsch in anderer Richtung fortsetzte. Nach Besichti- 
gung der Missionsstation Issawi der Weißen Bäter, 
die gleichfalls mit ihrer großen Kirche und den 
stattlichen sonstigen Gebäuden, den Forstkulturen, 
dem Gemüsegarten und den vielen bekehrten Ein- 
geborenen einen guten Eindruck machte, wurde am 
12. März der die Grenze zwischen Ruanda und 
Urundi bildende Akanjarufluß bei der Mu- 
jaggafähre in etwa 1500 m Höhe Überschritten. 
Ein etwa 3 km breiter Papyrussumpf erstreckte 
sich zu beiden Seiten des Flusses, der hier eine 
Breite von 10 bis 15 m hat. 
IV. Urundi. 
Am folgenden Tage wurde in Begleitung des 
stellvertretenden Residenten Oberleutnants Bock 
v. Wülfingen, der mir bis an die Grenze ent- 
gegengekommen war, der Marsch durch den nord- 
östlichen Teil Urundis angetreten. Gegenüber 
dem eben verlassenen Ruanda machten sich, sowohl 
was das Land wie die Bevölkerung anbetriffr, 
wesentliche Unterschiede bemerkbar. Am meisten 
in die Augen fallend war die stärkere Bewaldung 
Urundis. Während wir in Ruanda fast aus- 
nahmslos durch offenes Grasland gekommen waren, 
in dem sich, außer den Bäumen und Sträuchern 
in der Umgebung der Eingeborenen-Hütten, kein 
Baumwuchs befand, zogen wir hier anfänglich 
auf große Strecken durch Buschsteppe. Vereinzelt 
fanden sich selbst Bestände von Bäumen,w allerdings 
nicht sehr umfangreich, die man schon als Wald 
hätte bezeichnen können. Das Land ist hier 
durchweg Hügellandschaft mit anfänglich nicht sehr 
tief eingeschnittenen Tälern. Die Temperatur war 
bei einer durchschnittlichen Höhe von 1500 m be- 
deutend höher als in den zuletzt durchquerten 
etwa 1800 m hoch gelegenen Gebieten Ruandas. 
Gegen Mittag wurde wiederholt 28 bis 29° C. 
gegenüber der in jenem Gebiete gemessenen Höchst- 
temperatur von 23° C. festgestellt. Die Bevölke- 
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