V751 20
An anderen Morgen fand zunächst im Bei-
sein Msingas und seiner Großen sowie der eifrig
zuschauenden Volksmenge ein scharfes Gefechts-
schießen der 11. Kompagnie mit Maschinengewehr
und Einzelfeuer statt, das großen Eindruck auf
den Sultan und seine Leute zu machen schien,
nachher eine kleine Gefechtsübung unter Ver-
wendung von Platzpatronen, bei der das Polizei-
begleitkommando den Feind abgab. Auch hierbei
zeigte sich das größte Interesse auf seiten der
Wanjaruanda. Später machte ich mit meinen
Begleitern und den Schutztruppenoffizieren Msinga
meinen Gegenbesuch. Letzterer kam mir in dem
durch eine Umzäunung von der Außenwelt ab-
geschlossenen großen Raum vor seiner nach Ein-
geborenenart gebauten, nur größeren und mit
einer Art Terrasse versehenen Hütte entgegen.
Wir setzten uns auf den terrassenförmigen Vorbau
und sahen den nun beginnenden Tänzen zu.
Zunächst erschienen abwechselnde Gruppen von je
40 bis 50 schlanken Watussijünglingen, die mit
Leoparden= oder Servalfellen bekleidet waren und
als Kopfschmuck einen Kranz von Haaren des
Kolobusaffen, daneben noch Perlen und sonstigen
Schmuck trugen. In der rechten Hand hielt jeder
Tänzer den Speer und in der linken Pfeil und
Bogen. Die Tänze waren vorzüglich eingeübt,
sie bestanden meistens in manchmal recht kompli-
zierten rhythmischen Fußbewegungen und Sprüngen.
Dann folgten Tänzer, die unter Körper= und Arm-
verdrehungen die Bewegungen des Kronenkranichs
nachmachten, schließlich eine Gruppe Tänzer aus
Kissaka, die durch Armhaltung und schnelle Vor-
wärtsbewegungen der Füße das Schweben der
Vögel ausgezeichnet nachahmten. Nach Beendi-
gung der Tänze begaben wir uns ius Freie,
draußen fand Hochspringen und dann Speerwerfen
statt. Die Leistungen waren hervorragend. Mehrere
Watussi sprangen mit kurzem Anlauf, noch dazu
etwas bergauf, unter Benutzung einer kleinen
Rasenerhöhung als Absprung, über einen Bambus-
stab, dessen Höhe über dem Erdboden 2,40 m
betrug. Die wirklich gesprungene Höhe betrug
unter Abrechnung jenes natürlichen Sprungbrettes
2,01 m. Beim Speerwerfen bedienten sich die
Watussi ganz dünner Speere von etwa 1½ m
Länge, zum Teil sogar eines einfachen dünnen
Stockes von noch geringerer Länge und erzielten
beim Wurf aus freier Hand, bei kurzem Anlauf,
Wurfweiten bis zu 90 m. Nach Beendigung der
Spiele fand auf besonderen Wunsch Msingas noch
ein Exerzieren der 11. Kompagnie statt, wobei
ein farbiger Unteroffizier die Kommandos abgab.
Die in der Tat vorzüglich klappenden Griffe und
Wendungen erregten große Bewunderung.
Am Nachmittag erschien Msiinga nochmals bei
strömendem Regen in seiner Sänfte und von seiner
Batwakapelle begleitet, die, neben der Sänfte her-
laufend, beständig einen eigenartigen, mehrstimmi-
gen Gesang ertönen läßt. Ich hatte im Beisein
des Residenten Dr. Kandt längere Besprechungen
mit Msinga, insbesondere über die Auslbung der
Gerichtsbarkeit durch ihn, die übrigens bisher noch
zu keinen Klagen Anlaß gegeben hat, während
der Sultan Grenzangelegenheiten zur Sprache
brachte. Minga ließ bei Beginn der Besprechungen
sein gesamtes Gefolge sich außer Hörweite ent-
fernen, obwohl von den hohen Watussi-Häupt-
lingen seiner Umgebung niemand Suaheli versteht.
Am nächsten Morgen (11. März) wurde der
Weitermarsch angetreten, an dem auch Stabsarzt
Dr. Schumacher bis Ussuwi teilnahm, von wo
ab Stabsarzt Dr. Ullrich aus Tabora die Expedition
begleitete, während die Kompagnie ihren Übungs-
marsch in anderer Richtung fortsetzte. Nach Besichti-
gung der Missionsstation Issawi der Weißen Bäter,
die gleichfalls mit ihrer großen Kirche und den
stattlichen sonstigen Gebäuden, den Forstkulturen,
dem Gemüsegarten und den vielen bekehrten Ein-
geborenen einen guten Eindruck machte, wurde am
12. März der die Grenze zwischen Ruanda und
Urundi bildende Akanjarufluß bei der Mu-
jaggafähre in etwa 1500 m Höhe Überschritten.
Ein etwa 3 km breiter Papyrussumpf erstreckte
sich zu beiden Seiten des Flusses, der hier eine
Breite von 10 bis 15 m hat.
IV. Urundi.
Am folgenden Tage wurde in Begleitung des
stellvertretenden Residenten Oberleutnants Bock
v. Wülfingen, der mir bis an die Grenze ent-
gegengekommen war, der Marsch durch den nord-
östlichen Teil Urundis angetreten. Gegenüber
dem eben verlassenen Ruanda machten sich, sowohl
was das Land wie die Bevölkerung anbetriffr,
wesentliche Unterschiede bemerkbar. Am meisten
in die Augen fallend war die stärkere Bewaldung
Urundis. Während wir in Ruanda fast aus-
nahmslos durch offenes Grasland gekommen waren,
in dem sich, außer den Bäumen und Sträuchern
in der Umgebung der Eingeborenen-Hütten, kein
Baumwuchs befand, zogen wir hier anfänglich
auf große Strecken durch Buschsteppe. Vereinzelt
fanden sich selbst Bestände von Bäumen,w allerdings
nicht sehr umfangreich, die man schon als Wald
hätte bezeichnen können. Das Land ist hier
durchweg Hügellandschaft mit anfänglich nicht sehr
tief eingeschnittenen Tälern. Die Temperatur war
bei einer durchschnittlichen Höhe von 1500 m be-
deutend höher als in den zuletzt durchquerten
etwa 1800 m hoch gelegenen Gebieten Ruandas.
Gegen Mittag wurde wiederholt 28 bis 29° C.
gegenüber der in jenem Gebiete gemessenen Höchst-
temperatur von 23° C. festgestellt. Die Bevölke-
3