6 871
erstere bis zu 70° in 24 Stunden, letzterer nur
7° im Verlauf eines Jahres.
Der Dünensand der transkaspischen Barchane
weist eine mehr oder weniger starke staubförmige
Beimischung von Löß, dem Material der be-
nachbarten Steppen, und stellenweise auch von
Salz aus nahe gelegenen Salzausblühungen der
Steppen stammend, auf.
Die Tatsache der Lößbeimischung ist
von außerordentlicher Tragweite für die
Technik und die Erfolge der Dünen-
bepflanzung. Denn der (Solische) Löß Turans
ist, wie bekannt, sehr reich an Pflangennähr=
stoffen aller Art, und es bedarf nur seiner Be-
feuchtung mit Wasser, um diese Nährstoffe zur
Wirkung kommen zu lassen. Die von Obrutschew
mitgeteilten Analysen von Wüsten= und Dünen-
sand Trauskaspiens weisen denn auch einen relativ
hohen Gehalt an in Salzsäure löslichen Stoffen
auf. Phosphorsäure ist allerdings entweder gar
nicht oder nur in Spuren vorhanden.“)
Die Befeuchtung erfolgt — da die sehr gering-
fügigen und noch dazu auf 5 Monate des Jahres
verteilten Niederschlagsmengen (s. u.) nur eine
ephemere Benetzung der oberflächlichen Sand-
schichten bewirken können — vor allem durch die
reichliche Taubildung im Innern des
Dünensandes selbst, eine Erscheinung, der wir
hier ebenso begegnen wie z. B. auf den Dünen
der Kurischen Nehrung. Nur mit dem Unter-
schied, daß der Dünensand der Nehrung schon
etwa handbreit oder doch wenige Dezimeter unter der
Oberfläche die Feuchtigkeit deutlich erkennen läßt,
während diese in den durchglühten Barchanen
Turans — wenigstens im Hochsommer — erst
in größerer Tiese bemerkbar wird.“'“) An einigen,
bei meiner Anwesenheit untersuchten Stellen wurde
diese Tiefe auf etwa 70 cm bzw. 1 m ermittelt.
Da sich die Pflanzenwelt, wie unten gezeigt
werden wird, den abnormen Verhältnissen mit
besonderen Einrichtungen des Wurzelsystems an-
paßt, ist sie in der Lage, auch diesen Feuchtig-
keitsvorrat für die Nahrungsaufnahme auszunutzen.
Dazu kommt endlich, daß die Dünen der
fraglichen Gegend, soweit bisher festgestellt wurde,
auf einer Unterlage von Lößboden ruhen.
Sofern nicht im einzelnen Falle die Höhe der
Sandmasse dem entgegensteht, werden also die
Befestigungspflanzen zu allem anderen noch die
Möglichkeit haben, mit ihren Wurzeln in das
*) Radde S. 16. Reicher an Phosphorsäure ist
der Dünensand aus Ferghana, wo offenbar stärkere
Lößüberwehungen stattfinden als in Transkaspien.
S. Middendorf S. 44 und C. Schmidt (Anhang zu
Middendorfs Werk S. 2, Analysen 2 und 3).
*) Vgl. hiergu v. Middendorf S. 48f.
feste fruchtbare Erdreich der Unterlage einzu-
dringen.
Im Gegensatz zu den Dünenbefestigungsar-
beiten an der deutschen Ostseeküste, insbesondere
auf der Kurischen Nehrung,') wo es sich um
eine ausgesprochen intensive und daher ver-
hältnismäßig kostspielige Befestigungsarbeit handelt,
und auch im Gegensatz zu den schon oben er-
wähnten Dünen Nord-Turkestans und Ferghanas
wird an der transkaspischen Strecke der Mittel-
asiatischen Bahn ein extensives System verfolgt,
das, für die dortigen Verhältnisse vollkommen
ausreichend, den Vorzug größerer Billigkeit bietet.
Außerdem ist es dem hier herrschenden Arbeiter-
mangel angepaßt, und endlich zwingt das System
nach einmal erfolgtem Beginn der Arbeiten zu
schneller Erledigung. Denn es gilt dabei als Prinzip,
zunächst überall in der Befestigungszone ein weit-
maschiges Netz von Anpflanzungen zu schaffen,
das dann allmählich im Laufe von 4 bis 5 Jahren
ausgefüllt wird. Diese Zone erstreckt sich nördlich
von der Bahn, d. h. in der Hauptwindrichtung,
im Minimum auf 150 Ssashén (1 Ssashéen —
2,134 m), also 330 m, südlich von der Bahn
auf 50 Ssashen. Man hat die Erfahrung ge-
macht, daß diese Schutzstreifen sich durch natür-
liche Bestockung mit Befestigungspflanzen selbst-
tätig noch wesentlich verbreitern. Zum Ver-
ständnis dieser Angaben sei erwähnt, daß die Haupt-
windrichtung in N liegt, und zwar 8 Monate
des Jahres — April bis November — hindurch
die Winde aus N und NW wehen, während im
Winter (4 Monate) die Winde aus den ent-
gegengesetzten Richtungen (8 und 80) kommen.
Der Schutzstreifen wird also in Luv dreimal so
breit angelegt als in Lee, bezogen auf die
Hauptwindrichtung. Innerhalb der beiden ge-
nannten Windperioden sollen nur geringsügige
Schwankungen in der Windrichtung zu beob-
achten sein.
Man hat hier zeitweilig mit ungeheuren
Gewalten zu rechnen. Ich selbst habe während
meines Aufenthaltes in jener Gegend Sand-
stürme erlebt, die eine mehrstündige Verspälung
der Eisenbahnzüge zur Folge hatten. Mit einer
Dräsine gegen den Wind zu fahren, war dabei
kaum möglich, die Sonne wurde verfinstert, und
das Licht erschien am Sommernachmittag so fahl
wie etwa hier bei einer Sonnenfinsternis oder im
Winter bei Schneeluft. Bemerkenswert war, daß
eine Sandverwehung des Gleises nicht stattfand.
Betreffs der klimatischen Verhältnisse
des Gebiets ist im übrigen noch folgendes nach-
zutragen: Wie bekannt, wird jenes Land von
einem ausgesprochenen Kontinentalklima beherrscht.
*) Vgl. Gerhardt, Handbuch.