Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

W 100 20 
urteilt werden unter Berücksichtigung der in den ein- 
zelnen Bundesstaaten herrschenden, in der Landesgesetz- 
gebung zutage tretenden differierenden Auffassung. 
Eine diesbezüglich primäre Landesgesetzgebung 
existiert für das Schutzgebiet nicht. 
Nun ist allerdings der Ausschluß des Rechtsweges 
bezüglich der Verbindlichkeit zur Entrichtung allgemeiner 
anlagen. ( (7 Abgabey t im landrechtlichen Preußen durch 
L. R. angeordnet. Es fra- 
##n Bestannnn gemäß §§ 19, 20 K. G. . 
im Schutzgebiet Gültigkeit hat. Die Frage ist zu ver- 
neinen. Denn die bezeichneten Paragraphen führen die 
noch geltenden Bestimmungen des A. L. R. in den Schutz- 
gebieten nur ein — neben den dem bürgerlichen Recht 
angehörigen —, soweit sie sich auf das Verfahren in 
bürperlichen, Rechtsstreitigleiten. eiehen. §5 78 II. 14 
. L. R. erbindung, mit 8 V. G. regelt aber 
nicht das bderer in bat 819 seftregelt abe 
sondern lediglich die Vorfrage, was in dieses Ver- 
fahren nicht hineinfallen soll. 
Mithin läßt sich aus landesgesetzlichen Normen 
eine nähere Umgrenzung des Legriffs Ler bürgerlichen 
Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 13 G. V. G. für das 
Schutzgebiet nicht entnehmen (so auch 9. G. E. 18 C. S. 
vom 3. Dezember 1910, sowie Schiedsspruch in Sachen 
Boysen, Wulff & Co. gegen Fiskus vom 23. Märg 1909). 
Für die Abgrenzung des Rechswegs nach allge- 
meinen Gesichtspunkten kommt es nach der zu billigenden 
Ansicht von Stölzel, Gaupp-Stein, a. a. O. Laband 
(Staatsrecht, Bd. 3 S. 357) und Wilmowoll= Dui (om, 
mentar zur Z. P. O. Einleitung § 4) auf den begriff- 
lichen Unterschied zwischen öffentlichem und Privat- 
recht a 
zel a. a. O. definiert: „Offentlichrechtlich ist 
ein 35töhgel -al.9 wenn in ihm einerseits ein öffent- 
liches Gemeinwesen (Staat, Kommune usw.) und ander- 
seits ein Glied desselben als solches einander gegen- 
überstehen. Andernfalls ist es privatrechtlich.“ 
Diese Definition, der sich das erkennende Gericht 
im oben erwähnten Urteil vom 4. Dezember 1912 an- 
geschlossen und die auch in ähnlicher Form das R. G. 
gelegentlich aufgestellt hat (J. W. 1912, 647), ist aber 
nur dahin zu verstehen, daß mindestens diese Ansprüche 
öffentlichrechtlicher Natur sind. Dem es dürfte kein 
Streit darüber bestehen, daß auch die aus der Zoll- 
gesetzgebung als aus einem staatlichen Hobheitsrecht sich 
ergebenden Ansprüche des Staates gegen Ausländer 
ausschließlich öffentlichrechtlicher Natur sind. 
Zutreffender ist die von Laband (Staatsrecht Bd. 3 
S. 358) gegebene Definition, die als öffenlichrechtlich 
die Streitigkeit über ein Rechtsverhältnis ausspricht, 
welches gar nicht oder nicht ausschliehlich zur Rechts- 
sphäre der Individnen gehört, sondern als ein Teil 
der öffentlichen Rechtsordnung, als Ausfluß der staat- 
lichen Hoheitsrechte oder der Regierungs= und Ver- 
waltungstätigkeit anzusehen und aus diesem Grund der 
Privatdisposition der berechtigten und verpflichteten 
Individuen ganz oder teilweise entrückt ist. 
Nun kann zwar der rechtliche Charakter derjenigen 
  
staatlichen Forderungen zweifelhaft sein, die eine 
Leistung des Individuums für eine wirtschaftliche 
Gegenleistung des Staates, der insoweit gleichsam als 
Unternehmer auftritt, verlangen, obgleich Zorn (Staats- 
recht S. 274) auch diese Gebührenforderungen für 
bffentlicrechtliche erklärt und obgleich es der Gesetz- 
geber für nötig gehalten hat, bezüglich der Ansprüche 
der Post und der Eisenbahn den Rechtsweg anedrrude 
lich für zulässig zu erklären (Postgesetz § 25 und Preuß. 
Zuständigkeitsgesenz von 1883 § 159). Eine Abgabe 
  
aber, der ein derartiges Gegenleistungsverhälmmis nicht 
zugrunde liegt und bei der sich also privatrechtliche 
Gesichtspunkte nicht verwerten lassen, die vielmehr 
lediglich als finanztechnische Einnahme eine Frage der 
Finanzverwaltung ist und die der Staat ausschließlich 
in Wahrnehmung öffentlicher Interessen und für öffent- 
liche Zwecke, nicht aber als Unternehmer erhebt (R. G. 76. 
121), ist als ein aus einem solchen Rechtsverhältnis 
entspringender Anspruch zu betrachten, das nicht aus- 
schließlich zur Rechtssphäre der Individnen gebört. 
sondern einen Ausfluß staatlicher Hoheitsrechte darstelll. 
Eine derartig rein finanztechnische Abgabe ist die 
in Frage kommende Hafengebühr. 
Allerdings stellt der Schutzgebietsfiskus dem 
Landungsmiernehmer die fiskalischen Landungsanlagen 
(Brücke, Kräne, Gleise usw.) zur Verfügung, die reine 
Hafengebühr steht aber mit der Überlassung der An- 
lagen nicht im Zusammenhang, was auch schon aus 
den Hafenordnungen für Swakopmund hervorgeht= 
nach denen die Hafenabgaben auch dann zu entrichten 
sind, wenn die Landung außerhalb der fiskalischen 
Landungsanlagen erfsolgt. 
Es erhellt dies auch weiter aus der Tarifbestim-- 
mung, daß die Nachzahlung der Hafengebühren der 
nach Swakopmund eingeführten, später aber von dort 
unter Benutzung der Swakopmunder Hafenanlagen 
nach Lüderitzbucht wieder ausgeführten Güter von der 
sonst bei der Ausführung zu zahlenden Hafengebühr 
frei sein sollen und daß für Postsendungen Hafen- 
gebühren überhaupt nicht erhoben werden. Es is 
nicht einzuseben weshalb auf sie in diesen Fällen ver- 
zichtet werden sollte, wenn sie zu der Benutzung der 
Hafenanlagen im Verhältnis von Leistung und Gegen- 
leistung ständen. 
Es handelt sich nach dem Ausgeführten also um 
einen Anspruch des öffentlichen Rechts, der gemäß 
8 13 G. V. G. iurundsärich der ordentlichen Gerichts- 
barkeit entzogen ist. 
Daß die fragliche Streitigkeit nicht dadurch, dab 
die verlangte und begahlte Abgabe im Wege der un- 
gerechtfertigten Bereicherungsklage zurückverlangt wird, 
aus einer öffentlichrechtlichen eine privatrechtliche 
werden kann, hat das (R. G. 76, 121; 
1912, 647) unter Aufgabe wmn früheren Standpunktes 
— und ihm folgend auch das Obergericht — (Urtei 
vom 4. Dezember 1912) in verschiedenen neueren Ent- 
scheidungen ausgesprochen. Dieser Auffassung ist schon 
um deswillen beigzgupflichten, weil der gegenteilige 
Standpunkt zu dem unbefriedigenden Ergebnis führen 
würde, daß die Streitigkeiten über sbrüche bffent= 
lichrechtlicher Natur, die durch § 1 V. G. 
ordentlichen Gerichten entzogen Lelsens sollen, d 
diesem Umweg immer wieder vor die ordentlichen Ge- 
richte gebracht werden können, zweifellos gegen den 
Willen des Gesetzgebers. 
Daß ein Gewohnheitsrecht, wie es das Obergericht 
in Tsingtau in feiner deswegen die Zulässigkeit des 
Rechtsweges für das dortige Schutzgebiet bejahenden 
Entscheidung vom 27. Juli 1910 angenommen hat, für 
das hiesige Schutzgebiet nicht besteht, ist bereits in 
der mehrfach erwähnten Entscheidung des Bernfungs“ 
gerichts vom 4. Dezember 1912 ausgesprochen worden. 
Ebensowenig läßt sich die Zulässigkeit des Rechts- 
wegs aus dem Feh 
im Schutzgebiet herleiten; bloße alungssireitversohund 
können nicht entscheidend sein. 
0) 
J. W.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.