Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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stücksspekulation ist verhindert. Die gesamten Ein- 
nahmen fließen in die öffentlichen Kassen und kommen 
auf diese Weise dem Allgemeinwohl zugute. Jeder 
Besitzer wird auf diese Weise in gerechter Weise in 
dem Maße des Wertes seines Besitzes zu den öffent- 
lichen „uswendungen herangezogen. Würde ein direkter 
Landverkauf durch die Emire gestattet, wie es dem 
unbefangenen Nichtkenner der Verhältnisse gerecht er- 
scheinen könnte, so würden die großen Einkünfte aus 
diesem Bodengeschäft in die Taschen dieser wenigen 
Großen fließen und diese damit bereichert, ohne je eine 
Hand für diesen Verdienst gerührt, ja ohne ein An- 
recht darauf zu haben. Und es würde auf diese Weise 
künstlich eine Kaste von Eingeborenen groß gezogen, 
die die Arbeit als Erzieherin zur Kultur niemals 
lennen gelernt hat, dabei aber, wie es in Südnigerien 
fic Fall gewesen ist, infolge ihrer Überhebung auf 
de des Reichtums Urheberin von Unzufriedenheit 
sein würde. 
Diese Art der Besitzregelung hat dann außerdem 
den großen Vorzug, ganz dem Empfinden des Ein- 
geborenen angepaßt zu sein. Er sieht in dem Europäer 
den stärkeren Eroberer, der daher auch das Recht hat. 
über das durch die Eroberung gewonnene Eigentum 
nach freiem Ermessen zu verfügen. Wer mit dem 
Mohammedaner in nähere Berührung kommt, hört es 
immer wieder sagen, daß ja der Gonverneur derjenige 
ist, der alles besitzt * das Recht hat, zu nehmen, 
was er will. 
m 1* 
* 
Wie die Landfrage, so ist auch die Arbeiterfrage 
in Nordnigerien mehr vom Standpunkt des Einge- 
borenen, als dem des Europäers gelöst oder, besser 
gesagt, nicht gelöst. Das Gouvernement vertritt das 
Prinzip, daß in dieser Hinsicht der Arbeitgeber sich 
selbst zu helfen hat, d. h. also, auf freie Anwerbung 
angewiesen ist. Es macht dabei nur den Unterschied, 
die Arbeiter fürs Inland oder Ausland angeworben 
werden sollen. Ist das letztere der Fall, so bedarf 
es dazu der Genehmigung des Gouvernements und 
der Erteilung einer „Lizenz“, welche je nach Länge 
der beantragten Zeitdauer, mit 20 s beginnend, zu 
bezahlen ist. Die Anwerbung für diese Zwecke ohne 
Erlaubnis wird mit hoher Strafe belegt. Es geht 
daraus das Bestreben der Regierung hervor, die Leute 
unter Kontrolle zu behalten, damit sie in ihre Heimat 
zurückkehren und nicht vom Arbeitgeber an irgend- 
einem fremden Orte zurückgelassen werden. Handelt 
es sich aber nicht um eine solche Anwerbung für das 
Ausland, daunn bedarf es keiner Erlaubnis. Der Arbeit- 
geber ist darauf angewiesen“ zz neoeen, was auf dem 
freien Arbeitsmarkt sich biet Dieses Prinzip ist von 
der Absicht der Regierung iichd vor allen Dingen 
den Europäer zur gerechten und menschlichen Behand- 
lung seiner Arbeiter zu erziehen. Fehler des Euro- 
päers in dieser Beziehung würden sich bald durch 
mangelndes Arbeiterangebot rächen 
Man muß zugeben, daß diese Regelung der Frage 
die einfachste ist, welche zu nee ist. Sie kann aber 
nur so lange den Ansprüchen der Entwicklung des 
Landes genügen, als nicht große Anforderungen an 
den Arbeitsmarkt durch ausgedehnte europäische! 
Unternehmungen, insbesondere Pflauzungsaulagen und 
dergleichen, gestellt w a die Regierung, wie 
oben ausgeführt, auf — leinen besonderen Wert legt, 
ist dieses Vorgehen zu verstehen. Es hat sich auch in 
der Praxis insofern bewährt, als der Bedarf an Arbeits- 
kräften noch meistens hat gedeckt werden können. Nur 
in den Minengebieten des Bauchi-Hochlandes macht 
sich bei dem plötzlichen Bedarf der sehr schnell aus- 
  
gedehnten Bergwerksindustrie ein Mangel fühlbar, da 
die Heiden des dortigen Hochlandes bis jetzt der 
Lohnarbeit abhold, wie überhaupt noch schwer zu- 
gänglich sind. Soviel mir bekannt geworden, hat 
aber auch hier die Regierung die Übernahme einer 
Wdy2m bisher abgelehnt. Die Folgeerscheinung 
ei der freien Konkurrenz die Arbeits- 
löhne gegen früher sehr gestiegen sind, teilweise auf 
1 8 täglich. Daraus ist auch verständlich, daß Plan- 
tagenunternehmungen mit viel größeren Schwierigkeiten 
au kämpfen haben würden als bei dem in Kamerun 
üblichen Tagessatze von 40 Pf. 
Es besteht nun die Frage, ob in den mohammeda- 
nischen Gebieten Nordkamernns mit einer gleichen 
Regelung dieser Frage ausgukommen sein würde. Es 
ist nicht zu verkennen, daß es die gesündeste Lösung 
wäre. Doch sind die Verhältnisse doch zu unterschiedlich, 
als daß man die Antwort in Bausch und Bogen zu 
geben vermag. Wie wir gesehen haben, ist die Zu- 
sammensetzung der schon an und für sich zahlreicheren 
Bevölkerung Skorbigerie eine andere. Der Fulbe 
tritt bei weitem nicht so in den Vordergrund wie in 
Adamaua. Dort ist der Haussa derjenige, welcher dem 
Lande seinen Stempel aujdrugt Er ist arbeiten ge- 
wohnt, sei es als Träger, s als Hafenarbeiter. 
Ferner bietet sich in den Nupes ein Volk, das infolge 
seiner längeren Berührung mit dem Haudelsverkehr 
auf dem Niger schon gewohnt ist, Verdienst durch Arbeit 
zu suchen. Die alte Verkehrsstraße des Niger hat 
außerdem stets schon eine größere Beweglichkeit der an 
ihr wohnenden Stämme im Gefolge gehabt. Wir 
finden daher in Nordnigerien auch eine große Anzahl 
Angehörige der Negerstämme der Küste. Insbesondere 
sind es die Jorubas, welche einen großen Prozentsatz 
der Arbeiter an Maschinen, auf Dampfern und auch 
sonst stellen. Es ist daher erklärlich, daß das Arbeiter- 
angebot verhältuismäßig groß ist. In Adamang haben 
wir dagegen Fulbes, Heidensklauen und freic Heiden, 
daneben Haussas, die aber kaum für die Lohnarbeit 
in großem Umfange in Frage kommen, da sie meistens 
selbständige Händler sind. Die Fulbes scheiden fürs 
erste für diese Frage noch aus, da sie erst zur Arbeit 
erzogen werden müssen. Der Sklave kommt natürlich 
für das freie Angebot auch nicht in Frage, und so sind 
es in erster Linie die freien Heiden, auf welchen die 
Hoffnung basiert. Soweit diese sich von ihren Stämmen 
losgelöst haben und in den größeren Ortschaften sitzen, 
sind sie sicher nicht abgeneigt, zum Erwerb ihres Unter- 
haltes zu arbeiten. Doch lieben sie eine Verpflichtung 
auf längere Zeit nicht. Drei Monate ist schon viel, 
wenn sie sich binden sollen. Am liebsten übernehmen 
sie Gelegenheitsarbeit. Der in seinem Heimatverbande 
sitzende freie Heide denkt im allgemeinen nicht daran, 
sich dem Zwang regelmäßiger Arbeit zu fügen, zum 
Teil auch aus den Gründen, die ich bei Besprechung 
der Verwaltung in Adamana erwähnt habe. 
Wir sehen also, daß dort zur Zeit noch die Grund- 
lagen dafür fehlen, um eine gleiche Regelung der 
Arbeiterfrage durchzuführen wie in Nordnigerien. Ob 
sie überhaupt in dem Sinne möglich sein wird, muß 
die Zeit lehren. 
Im übrigen ist diese Frage ja auch zur Zeit noch 
nicht akut und wird es sobald auch noch nicht werden. 
Ich bin daher der Müich, daß es sich empfiehlt, die 
Entscheidung dieser Frage noch hinauszuschieben und 
mit den Maßnahmen anbufangeh. welche die Förderung 
der Eingeborenen in kultureller Hinsicht bezwecken, vor 
allen Dingen durch den Bau von Verkehrsmitteln mit 
dem Anschluß der küstenfernen Gebiete an den Welit- 
markt zu beginnen. Die dadurch hervorgerufene Neu- 
gestaltung der Dinge wird nicht ohne nachhaltigen
	        
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