Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

G 355 2O 
Die Kindersterblichkeit ist groß wegen des Fiebers 
und unzgweckmäßiger Ernährung. Manche bringen uns 
ihre Kinder zur Behandlung, wir suchen sie dann auf- 
zuklären. Die Flugschrift „Shauri Niema. Habari ya 
Kutunza wuloto- haben wir viel verbreitet. Hier 
baben wir ständig eine Arztin, und öfters kommt auch 
Herr Dr. Howard. Viele Leute holen Arznei bei uns. 
Die europäische Abteilung der S. T. A. 
Missionsgesellschaft im Bezirke Wilhelmstal 
schreibt: 
Der Sänuglingssterblichkeit suchten wir dadurch ent- 
gegenzutreten, daß wir da, wo angängig, den Frauen 
schon vor der Niederkunft entsprechende Ratschläge er- 
teilten. Später wiesen wir die Eltern immer wieder 
an, daß z. B. Verdauungsstörungen der Säuglinge am 
besten durch eine leicht durchführbare Diät der Mutter 
geregelt würden und nicht durch die beliebten Medizinen 
hiesiger oder europäischer Herkunft. Besonders wurde 
auch auf die Schädlichkeit des Mehlbreis hingewiesen. 
Unsere Abneigung gegen „papa“ (Brei) ist hier schon 
lo bekannt, daß Frauen, die Säuglinge mit Ver- 
anungsstörungen in Behandlung bringen, sofort eifrig 
betonen. daß kein „papa“ gegeben wurde, was aller- 
dings wohl meistens nicht den Tatsachen entspricht. 
Sie geben auch nachträglich oft zu, daß die Großmutter 
dem Rinde doch etwas zu essen geben müßte, wenn die 
kutter bei der Feldarbeit sei. Auch Kinderflaschen 
wurden häufig gekanft, um wenigstens ilch als 
Zwischennahrung geben zu können. Bei einigen Ge- 
urten kamen Christenfrauen auf die Station, was 
wohl mit der Zeit die Regel werden wird. Diese 
Kinder haben sich gut entwickelt. Ich werde mich be- 
mühen, in diesem Jahre von einer größeren Anzahl 
Frauen die Angaben über Geburten usw. zu erhalten. 
Tanga. 
Ooberstabsarzt Dr. Lott berichtet: Bei den in 
Tanga ansässigen Eingeborenen ist eine Ernäh- 
rung des Säuglings ausschließlich mit Muttermilch 
unbekannt. Die Muttermilch wird nur als Ge- 
tränk angesehen, und die Mutter gibt dem Kinde 
die Brust, so oft es schreit. Da das Kind aber 
nach Ansicht der Eingeborenen nicht nur trinken, 
sondern auch essen muß, so erhält es etwa vom 
ritten Lebenstage an einen dünnen Mehlbrei 
zweimal täglich, der ihm von der Mutter mit den 
Fingern in den Mund gestrichen wird. Der Brei 
wird aus Reis oder Mais oder Negerhirse ge— 
bocht. Kuh= oder Ziegenmilch bekommen die Säng- 
linge nicht. Sie werden von der Mutter so lange 
gestillt, bis sie gehen können, also etwa neun 
Monate lang; bei den im Hinterlande wohnenden 
tämmen, Wadigo, Wabondei, Washambala und 
aseguha, bleiben die Kinder sogar bis zum 
ritten Lebensjahre an der Brust, wenn nicht 
etwa vorher eine neue Schwangerschaft dem Stillen 
ein Ende macht. Sind die Kinder von der Mutter- 
rust abgesetzt, so werden sie weiterhin vorwiegend 
mit Milchbreien ernährt. Daneben bekommen sie 
auch etwas Fleisch, Fisch, Bananen und andere 
Früchte. Stirbt die Mutter im ersten Lebensjahre 
es Kindes oder kann sie es nicht selbst stillen, so 
  
wird eine Amme gesucht, wenn möglich in der 
Verwandtschaft, die dann das Kind ganz zu sich 
nimmt und pflegt und nährt. Wenn in der Ver- 
wandtschaft keine stillende Frau zu haben ist, so 
findet sich im Dorfe meist eine andere Frau bereit 
dazu. Es wird auch kein Gewicht darauf gelegt, 
daß es nur eine ist, sondern gelegentlich nehmen 
auch andere Frauen sich des Kindes an und 
nähren es, wenn die eigentliche Amme gerade 
nicht zur Stelle ist. Diese Ammendienste werden 
unentgeltlich geleistet. 
Ostusambara. 
Oberstabsarzt Medizinalrat Dr. Schörnich, 
der Regierungsarzt der Nordbezirke, schreibt aus 
Amani: Bei den Wabondei (zwischen Muheza- 
Amani) habe ich bislang folgende Beobachtung 
gemacht: Das neugeborene Kind wird in der 
ersten Woche von einer anderen Frau genährt in 
der Annahme, daß die eigene Muttermilch zunächst 
noch „schlecht“ sei. Von Geburt an bekommt das 
Kind als Zukost Maismehlbrei. Ist die erste 
Woche verflossen, so nimmt die richtige Mutter 
ihr Kind zurück und reicht ihm die eigene Milch 
unter weiterer Zugabe von Maismehlbrei. Nach 
etwa zwei bis drei Wochen wird als Zukost 
dünner gekochter Bananenbrei oder Reissuppe ge- 
geben. Diese Form der Ernährung dauert ein 
bis zwei Jahre. Kuh-, Ziegen= oder saure Milch 
wird nicht verabreicht. Eine ausschließlich künst- 
liche Ernährung der Säuglinge findet nicht statt. 
Ist die Mutter gestorben oder nicht in der Lage 
zu stillen, so wird das Kind von einer anderen 
Stammesverwandten genommen, welche dann 
nötigenfalls zwei Kinder stillt. 
Pangani. 
Über Säuglings= und Kinderernährung wurden 
auf der Station Pangani folgende Feststellungen 
gemacht: Fast alle Säuglinge werden mit Mutter- 
milch ernährt. Die Ernährung an der Mutter- 
brust dauert gewöhnlich ein halbes bis zwei Jahre. 
Die Säuglinge werden aber schon eher abgesetzt, 
sobald die Mutter wieder schwanger wird; sie be- 
kommen dann Mehlsuppen zum Trinken und 
werden mit Breien gestopft. Falls die Mutter- 
milch für den Säugling nicht ausreichend scheint, 
bekommt dieser nebenbei noch Mehlsuppen, Kuh- 
oder Ziegenmilch und Mehlbreie. Über künstliche 
Ernährung der Säuglinge mit Tiermilch ist hier 
nichts bekannt. Sobald die Mutter eines Säug- 
lings stirbt oder zu wenig Milch hat, so wird er, 
wenn möglich, von einer anderen Mutter ernährt. 
Es ist auch festgestellt worden, daß eine Mutter 
neben ihrem eigenen Kind zu gleicher Zeit noch 
ein anderes Kind ernährt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.