W 361 20
schaften, wo die Sitte der gewaltsamen Fütrerung
nicht herrscht, die Sterblichkeit geringer ist.
Allgemein verbreitet ist die Sitte, daß die
Mutter sich zwei Jahre nach der Entbindung des
Geschlechtsverkehrs enthalten soll; aus dem ganz
richtigen Empfinden, daß es für das Kind nicht
gut ist, wenn ihm die Fürsorge der Mutter zu
früh durch eine neue Entbindung entzogen wird.
Ich habe auf die Frage nach dem Grund dieser
Sitte fast immer die Antwort erhalten: „Sonst
muß das erste Kind sterben.“ Bei den Wagogo
ist die Sitte noch ganz besonders ausgeprägt,
daß das Kind mit zwei Jahren der Mutter ge-
nommen wird und zu einer Pflegemutter (Jaja)
kommt, wo es mit anderen Kindern gemeinschaft-
lich erzogen wird.
Die Kinder leiden in ihrer Entwicklung auch
Unter dem unglaublichen Schmutz, in dem die
Wagogo im allgemeinen leben. Zum Teil ist
dieser Schmutz eine natürliche Folge der großen
Wasserarmut des Landes, zum Teil aber auch der
großen Indolenz der Bevölkerung. Denn der
Schmut ist auch dort verbreitet, wo immer Wasser
genügend vorhanden ist, wie z. B. am Kisigo.
Krätze, Bindehaut= und Hornhaut-Entzündungen
sind unter den Kindern sehr verbreitet. Der
Sandfloh ist nur an ganz vereinzelten Stellen
vorhanden, dort aber sind die kleinen Kinder, die
sich noch nicht selbst vor ihm schützen können, oft
über und über damit besetzt.
In den wasserarmen Steppengegenden sam-
meln die Leute, die dauernd zu Hause sind, ihren
Harn in großen Gefäßen. Er dient später den
heimkehrenden Männern zum Reinigen des Körpers.
Mahenge.
Von den im Bezirk Mahenge angesessenen
Stämmen konnten, wie Stabsarzt Dr. Schuh-
macher berichtet, Wapogoro-, Wagindo= und
Wabunga-Weiber befragt werden. Grundsätzliche
Verschiedenheiten oder Stammeseigentümlichkeiten
in der Säuglingsernährung bestehen nach den
eingezogenen Erkundungen nicht, daher können
die Angaben gemeinsam angeführt werden. Die
Ernährung der Säuglinge erfolgt bei den drei
genannten Stämmen fast ausschließlich mit Mutter-
milch, soweit diese hierzu ausreicht. In der
Regel werden die Kinder gestillt, bis sie gut gehen
können, also etwa ein Jahr lang. Nach dem
Absetzen bekommen sie vorwiegend Mehlbreie,
wo vorhanden auch Ziegenmilch, daneben aber
auch andere Nahrungsmittel. Neben der Mutter-
milch, auch wenn diese ausreicht, geben manche
Weiber noch Mehlbrei, auch Ziegenfleisch; als
Grund dafür wird die Absicht genannt, das Kind
besonders gut zu ernähren, damit es recht kräftig
werde und schnell wachse. Im allgemeinen
werden die Mehlbreie und, falls vorhanden,
Ziegenmilch nur gereicht, wenn die Muttermilch
nicht genügt. Kuhmilch wird bei den drei ge-
nannten Stämmen nicht gegeben, da sie wegen
der Tsetsekrankheit kein Rindvieh halten können.
Die Ziegenmilch wird roh oder gekocht genossen.
Nur falls gar keine Muttermilch vorhanden, auch
kein stillendes Weib in der Nachbarschaft zu finden
ist, wird versucht, die Säuglinge ausschließlich mit
Mehlbrei oder mit Ziegenmilch oder mit beiden
künstlich zu ernähren. Die Mehlbreie werden
aus Hirsemehl oder Reismehl hergestellt; bei
alleiniger Ernährung mit Mehlbrei sollen aber
die Kinder meist an Darmkrankheiten zugrunde
gehen, während sie bei reiner Ziegenmilch oder
gemischter Nahrung angeblich ganz gut gedeihen.
Hat eine Frau keine Milch für ihr Kind, so
sind stillende Verwandte oder Bekannte, wenn sie
genug Milch haben, gerne bereit, das fremde
Kind mit an die Brust zu legen. Dies geschieht
ohne Entgelt. Sind aber in der Sippschaft keine
stillenden Weiber, so weiß man sich bei den be-
mittelteren Wapogoro, Wangindo und Wambunga
dadurch zu helfen, daß man ein fremdes, sogar
stammfremdes Weib, das genügend Milch hat,
gegen Belohnung als Amme anstellt. Auch Skla-
vinnen werden dazu benutzt, das Kind der Herrin
mitzustillen, falls diese nicht genügende oder gar
keine Milch hat.
Tabora.
Ans Tabora schreibt Stabsarzt Dr. Ullrich:
Die Ernährung der Kinder unter allen Stämmen,
die unter dem Sammelnamen „Wanyamwezi“
bezeichnet werden, scheint einheitlich zu sein und
von der für Tabora und Umgebung von mir fest-
gestellten und in folgendem angegebenen sich nicht
zu unterscheiden: Die Neugeborenen erhalten nur
in den allerersten (vier bis sechs) Tagen nach
ihrer Geburt reine Milchnahrung in Form von
Muttermilch. Nach dieser kurzen Zeit wird unter
der falschen Voraussetzung, daß Milch allein das
Kind nicht sättige und somit für die Ernährung
nicht genüge, zweimal am Tage, gewöhnlich vor-
mittags um 7 Uhr und nachmittags um 5 Uhr,
eine Mahlzeit für das Kind eingeschoben, die aus
fein gestampftem, von den Hülsen befreitem Mehl
von Negerhirse (Mtamamehl) und Wasser ohne
jede Zutaten bereitet wird. Das Mehl wird in
kaltem Wasser angerührt und das entstehende
dünnflüssige Gemisch dann einmal aufgekocht. Nach
Abkühlung wird die „Uji“ genannte suppenähn-
liche Speise dem Kinde von der Mutter aus der
Hohlhand gereicht. Diese Ernährung des Kindes
wird beibehalten, bis das Kind gehen gelernt
hat, also ungefähr bis zu einem Jahre. Von
da ab ißt das Kind mit den Eltern und älteren