Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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kannt gebliebenen Kwischenstationen. durch Arbeiter= 
anwerbung vermittelt. nach Jap gekommen. In Naurn 
ist sie gleichfalls früher nicht beimisch gewesen; zu 
ihrem Import war zwar dort bei der aus allen mög- 
lichen Gegenden für den n.“Y: zusammenge- 
zogenen Arbeiterschaft vielfach Gelegenheit gegeben. 
Also wieder ist es keine autochthone Krankheit der Insel, 
sondern eine Seuche, die auf dem Seewege zugeführt 
wurde. Daß sie früher auf Fap nicht heimisch war, 
geht aus der großen Raschheit und Heftigkeit ihrer 
Verbreitung hervor, wie sie nur auf jungfräulichem 
Boden möglich ist. Überdies führten alle Gelähmten 
der Insel ihren Zustand auf diese Epidemie zurück. 
Keiner war zu finden, der sie sich in früheren Jahren 
erworben gehabt hätte. Eine annähernd genaue Zahl 
er damaligen Todesfälle war nicht mehr zu ermitteln, 
daß sie verhältnismäßig boch war, ist nach Analogie 
der Verluste auf Nauru (5½ v. H. der Erkrankten) 
nicht zu bezweifeln. Bei allen durch Epidemien ver- 
ursachten Verlusten müssen wir immer dic relative 
Kleinheit unseres Beobachtungsgebictes bedenken. Ab- 
solut betrachtet, erscheinen sie auf den ersten Blick nicht 
hoch, im Verhältnis zur Bewohnerzahl sind sie enorm. 
übersetzen wir zum Vergleich die milde verlaufene 
Typhusepidemie von 1913 mit 856 Erkrankungs= und 
nur 31 Todesfällen aus dem Karolinischen ins Deutsche, 
ĩo würde das heißen, daß beispielsweise ein Ort von 
der Größe Hamburgs in einem Jahr rund 140.000 
Typhuserkrankungen mit über 5000 Sterbefällen gehabt 
hätte. Und Seuchen von dieser Stärke sind unserem 
Inselvolke vorläufig in Abständen von zwei bis drei 
Jahren beschieden gewesen! Gehen wir von der Poly- 
neuritis-Epidemie drei Jahre zurück, so haben wir 
Ende 1907 epidemische Dysenterie auf Jap, an 
welche die Leute noch heute mit Schrecken denken. 
200 Menschen sind ihr m er gefallen, also ein 
Verlust von über 3 Gesamtbevölkerung. Auch 
hier deutet die Schwere der, Epidemie auf eine Neu- 
einschleppung oder Wiedereinschleppung. Mitten 
zwischen die beiden eben erwähnten Seuchen hinein 
fällt 1908 noch eine weitere von unbekannter Art, die 
in einem Monat an 100 Menschenleben sorderte, in 
den Berichten kurz als Misillepik be zeichnet. 
habe die Überzeugung gewonnen, daß mit diesem p 
wiederkehrenden Worte keine bestimmte Krankheit be- 
nannt wird, sondern jede in großer Verbreitung auf- 
tretende Krankheit, also ganz entsprechend unserm 
Worte „Seuche“. Dieser Begriff Misillepik haftet tief 
im Volke und ist bis in seinen religiösen Vorstellungs- 
kreis eingedrungen. Vor allem aber hat sich unter 
den Leuten der Glaube festgesetzt, daß das Auftreten 
einer neuen Misillepik in zeitlichem und ursächlichem 
Zusammenhange mit dem Anlanfen von Dampfern 
sieht. Mindestens für eine große Zahl von Epidemien 
werden wir diese Ansicht als vollkommen berechtigt 
anerkennen müssen, und je schärfer wir darauf achten, 
um so häufiger werden wir im Schifssvertehe die Quelle 
der Inselseuchen erkennen. Oft wurde mir auf meine 
Frage nach der Todesursache von Eltern, Geschwistern 
oder Kindern die Antwort gegeben: er starb an 
Misillepik. Aber wenn ich zurückfragte, an welcher 
Misillepik, so erfolgte immer die präzisere Angabe: an 
Dysenterie, Lungenentzündung usw. Auch der Typhus 
war für sie eine neue Mi sillep Bezeichnenderweise 
nannten die Leute sogar eine gerade jetzt auf der 
Jield ur herrschende Krankheit der Palmen ebenfalls 
Misi 
  
  
U während der letzten sieben Jahre durch vier 
ernste Epidemien, so ist auch während der weiter 
Brückliegenden Zeit das Volk eriodisch schwer von 
Seuchen heimgesucht worden. In den amtlichen Me- 
  
dizinalberichten ist ihrer gedacht. Gerade während 
meines Aufeuthaltes auf Jav wurde der Typhus von 
einer neuen Infektionskrankheit, der Parotitis epi- 
demiea abgelöst, die seit einigen Jahren in der Süd- 
see umgehend, nun auch hier ihren Einzug gehalten 
hatte. Ich habe nur junge Leute, im ganzen 22, 
daran erkranken fehen, aber ihre Ansbreitung nahm 
scheinbar noch zu. Mehrmals trat die für Mumps 
charakteristische Komplikation der Hodenentzündung auf. 
Auffällig war, Eingeborenen selbst auf die 
Infektion mit dieser harmlosen Krankheit viel stürmi- 
scher reagierten als vergleichsweise der Europäer. 
Mehrtägiges hohes Fieber, heftige Rückenschmerzen 
und starke Prostation waren die Regel. Diese Er- 
scheinung der verstärkten Reaktion sowie eines raschen 
und hochgradigen Kräfteverfalls wiederholt sich bei den 
meisten Infektionskrankheiten der Japleute, wodurch 
Krankheiten, die wir als gutartig anzusehen gewöhnt 
sind, wie etwa die Influenza"), bei ihnen bösartigen 
Charakter annehmen können. 
Leider treten bei einem Naturvolke seuchenhafte 
Krankheiten uur selten nach einmaligem Erscheinen 
wieder vom Schauplatze ab. Die meisten von ihnen 
bleiben in Einzelfällen auf dem neu eroberten Gebiet 
zurück und vermögen bei günstiger Gelegenheit wieder- 
um zur Epidemie anzuschwellen. So haben Typhus 
und Dysenteric als solche endemisch gewordene Feinde 
u gelten. Von letzterer ist sowohl Bazillen= wie 
Amöbenruhr auf der Jusel zu finden, auch die Kom- 
plikation des Leberabszesses kommt vor. 
2. Die endemischen Volkskrankheiten. 
Von ebenso schwerer Gefahr für das Volkswohl 
wie die epidemischen Krankheiten sind die endemischen, 
dauernd und schleichend an ihm zehrenden Leiden. Nach 
Stärke der Verbreitung und Größe der Gefahr stehen 
bier die drei: Ankylostomiasis, Frambösie und Tuber- 
kulose weitaus im Vordergrunde. 
ber die Ankylostomiasis ist im Kapitel über 
den Typhus das Wichtigste schon erwähnt. Sie ist 
iber die ganze Insel verbreitet und verursacht in ihren 
ohen Graden das sattsam bekannte Krankheitsbild. 
Interessant war, daß bei Stuhluntersuchungen 6N Buses 
sich herausgestellt hatte, daß Askariden, diesonst mindestens 
leicher Hänfigkeit wie Ankylostomen in den Tropen 
ausgutreren pflegen, bei den Erwachsenen der Insel sehr 
selten waren. Ich glaube, daß sich diese Erscheinung 
aus dem starken Betelkauen der Leute erklärt, da ja 
das Arecolin, einer der wirksamen Bestandteile der 
Betelnuß, als wurmtreibendes Mittel wirkt und als 
solches auch in unserer heimischen Pharmakopoe Auf- 
nahme gefunden hat. Leider erstreckt sich diese Wirkun 
nicht auch auf Ankylostomen. Auf den weiter Ssllich 
gelegenen Karolinen, wo das Betelkauen nicht geübt 
wird, ist nach den Berichten der dortigen Arzte die 
allgemeine Askaridosis wieder vorhanden. Ferner war 
mir auffällig, daß die Sitte des Erdessens, die sonst 
gerade bei Ankylostomiasis so häufig angctroffen wird, 
und die ich aus einem instinktiv befriedigten Bedürfnis 
nach mangelnden Kalium= bzw. Kalksalzen erkläre, auf 
ap vollkommen unbekannt ist. Es wäre ja denkbar, 
daß eßbare Erdsorten dort fehlten, aber ein Vergleich 
mit anderen, geologisch nicht erheblich verschiedenen 
Inseln unseres mikronesischen Besitzes zeigt, daß dort 
der Vrauch wieder vorhanden ist. Ich glaube auch 
  
  
  
Gegen viele Meldungen „influenzaartiger Er- 
krankungen" auf den Südseeinseln, namentlich von 
nichtärztlicher Seite, bin ich sehr skeptisch in Anbetracht 
ihrer großen Ahnlichkeit mit tropischem Typhus oder 
Denguefieber.
	        
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