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nach einer mündlichen Mitrteilung, die mir im
Theilerschen Institut gemacht wurde, auch durch
ernente Nachforschungen bestätigt. Derartige Bei-
spiele ließen sich auch für viele andere Länder
Afrikas anführen.
Bruce steht daher mit seiner Meinung, daß
die Schlafkrankheit in Rhodesia und Nyassaland
nichts anderes als eine vom Trypanosoma brucei
verursachte Tiertrypanosomiasis sei, die gelegent-
lich auch besonders prädisponierte Menschen be-
falle, ziemlich allein da. Es sind bereits, z. B.
von Laveran, Gegenbeweise erhoben worden,
aber bei der berechtigten Autorität, die Bruce
zukommt, müssen natürlich seine neuerdings ver-
tretenen Ansichten ernstlich erwogen werden.
Bruce selbst hat früher stets auf dem Stand-
punkt gestanden, daß wir, um praktisch arbeiten
zu können, bei der Unterscheidung der Trypano=
somen genau so, wie wir es gezwungenermaßen
bei den Bakterien tun, da wo die Morphologie
nicht ausreicht, die Biologie der Parasiten heran-
ziehen müssen, so sehr es auch gegen die strenge,
rein beschreibende Systematik verstoßen mag. Und
bei einer solchen praktischen Prüfung zeigt es sich,
daß das Trypanosoma brucei sich von dem
Trypanosoma rhodesiense dadurch exakt unter-
scheiden läßt, daß es nur für die verschiedensten
Säugetiere, das Trypanosoma rhodesiense aber
außer für diese auch für den Menschen pathogen ist.
Neuerdings ist noch eine kleine Komplikation
hinzugetreten, da nach Stephens und Blacklock
das Trypanosoma brucei wegen seines exquisit
dimorphen Typus eigentlich anders heißen müßte.
Es handelt sich glücklicherweise nur um eine
eventuelle Namensänderung.
Wie gestaltet sich nun die Rolle des Wildes
und der Haustiere bei der Verbreitung der Schlaf-
krankheit in der Natur? Doa ist natürlich kein
Zweifel möglich, daß Säugetiere und selbst Kalt-
blüter Blutlieferanten für die Glossinen sind,
und R. Koch hat ja bekanntlich in diesem Sinne
auch auf die Krokodile als Ernährer der Glossina
palpalis aufmerksam gemacht. Was speziell diese
letztere Annahme von R. Koch betrifft, so gibt
es in der Tat Stellen am und im Victoria-See, wo
dies zutrifft und wo die Fliegen an Kaltblüterblut
gewöhnt sind. Würde man aber den auch aus
anderen Gründen so empfehlenswerten Versuch
einer Vernichtung der Krokodile unternehmen,
so würde man nicht etwa ein Verhungern der
Glossinen, sondern nur das erreichen, daß die
Fliegen sich nun um so mehr an den Menschen und
die warmblütigen Tiere halten. Denn es ist
durch die später in Ostafrika gemachten Be-
obachtungen gezeigt, daß die Glossina palpalis,
sobald sie einmal am Säugetierblut Geschmack
gefunden hat, dieses jeder anderen Blutnahrung
vorzieht. Ganz entsprechend würde nach dem
Abschuß aller Antilopen und dem Aufhören jeglicher
Viehhaltung in bevölkerten Gegenden der Mensch
der Hauptblutlieferant für die Fliegen werden.
Das gilt nicht nur für die Glossina palpalis,
sondern auch für die morsitans, die ja keine
eigentliche Viehfliege ist, wie vielfach irrtümlich
geglaubt wurde, sondern den Menschen gleichfalls
stark belästigt. Mit dem Abschuß des Wildes
können wir also kein Aussterben der Glossinen
erreichen.
Viel wichtiger ist die Tatsache, daß das Wild
in der Natur nicht nur ein Blutlieferant, sondern
auch, ganz allgemein gesprochen, ein Trypanosomen=
träger ist. In welchem Umfange das speziell für
die menschenpathogenen Trypanosomen zu-
trifft und ob es bei der Verbreitung der Schlaf-
krankheit eine wirklich bedentende praktische Rolle
spielt, ist, wie gesagt, noch sehr fraglich.
Wie sich die Sache in Deutsch-Ostafrika
unter natürlichen Bedingungen in Palpalis=
gebieten abspielt, dafür möchte ich einige praktische
Erfahrungen, die gelegentlich der Schlafkrankheits-
bekämpfung dort gemacht wurden, anführen; sie
betreffen zumeist die ja gleichfalls als Schlaf-
krankheitsreservoir beschuldigten Haustiere.
Die Bevölkerung am Morifluß bei Kirugu
in der Gegend des Victoria-Nyanza war
noch im Jahre 1908 schwer durchseucht mit
Schlafkrankheit. Das Blut des zahlreichen Groß-
und Kleinviehs, das regelmäßig an den gewöhn-
lichen Wasserstellen getränkt und dort genau jo
wie die Menschen von Glossinen zerstochen wurde,
war aber frei von Trypanosomen. Mithin ist
es ausgeschlossen, daß die dortigen Haustiere eine
nennenswerte Rolle als Reservoir der menschlichen
Schlafkrankheit spielten, trotz der günstigen Be-
dingungen, die hierfür bestanden hatten.
Die zweite Beobachtung betraf den Tanganjika.
Von dessen Nordufer war im Jahre 1909 die
Nachricht gekommen, daß in den dortigen Schlaf-
krankheits= und Palpalisgebieten auch das Vieh
häufig infiziert sei, und zwar mit Trypanosomen,
die vielleicht mit den Trypanosomen des Menschen
übereinstimmten. Bei den von Kleine, Fischer
und Fehlandt angestellten Untersuchungen zeigte
es sich neben anderen Besonderheiten, daß die ver-
dächtigen Parasiten auf Meerkatzen überhaupt nicht
übertragbar waren, sich also mit absoluter Sicher-
heit vom Trypanosoma gambiensc unterscheiden
ließen.
Im vergangenen Jahre haben unn Kleine
und Eckard nochmals in dieser Richtung Unter-
suchungen am Tanganjika angestellt. Sie fanden
in einer schwer verseuchten Gegend, wo 25 bis
80 v. H. der menschlichen Bevölkerung an Schlaf-
krankheit leiden, nur 3,5 v. H. der Haustiere