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Damnarai, der auf halbem Wege zu ihren alten
Wohnsiten liegt und als Verbindungsstation mit diesen
dient. Aber wenn wir auch alle diese Verschiebungen
berücksichtigen, bleibt immer noch einc auffallend hohe
Sterblichkeit unter den Seßhaften. Wie ist sie zu
erklären? Dr. Kersten hat die von ihm vorgefun-
denen Patienten als solche mit Lungenentzündung
diagnostiziert und auch die von Külz untersuchten
akuten Erkrankungen waren Pneumonien. Die dabei
so häufigen Seitenschmerzen, der oft tödliche Verlauf
und die Furcht vor geheimnisvoller Zauberei hatten
unter dem Stamm teilweise den Aberglauben geweckt,
die Erkrankten seien von einem feindlichen, unsichtbaren
Steinwurf getroffen und tödlich verletzt. Auch der unter
ihnen tätige Pater nahm wenigstens für eine Anzahl der
Todesfälle mit Besti mintbeit Meuchelmord an. Die drei
Fälle, die ich selbst sehen konnte und die gleichfalls
Opfer dieser 1 Steinwürfe sein sollten, waren
zweisellos Pneumonien. zwei mit Phthisis vergesell-
schaftet. eine in icuter Genesung. Wichtig scheint es mir
aber, folgende Frage zu beantworten: Wie kommt es,
daß die Leute erst in den letzten Jahren in so erhöhtem
Maße an Lungenentzündung leiden und ihr erliegen,
während es ihnen in den ersten Jahren der Siedelung,
die doch soust die kritischen zu sein pflegen, gesundheit-
lich gut ergangen war. Den Sulkas feblen die früher
vorhanden gewesenen Arbeitskräfte zur Instandhaltung
der eigenen Felder und Hütten: ihre Ernährung wird
schlechter nach Menge und Beschaffenheit, die Wider-
standsfähigkeit des Volkes und die natürlichen Schutz-
kräfte gegen Krankheiten werden herabgesetzt und die
Infektion mit akuten und chronischen Leiden wird be-
günstigt, ihr Verlauf selbst schwerer gestaltet. Die
erhöhte Sterblichkeit steigert die ohnehin schon große
abergläubische Furcht der Leute vor bösen Geistern;
sie fühlen sich unsicher an ihren Wohnsitzen, verlegen
ihre Hütten bald da-, bald dorthin, in der Hoffnung,
ihren vermeintlichen Feinden auszuweichen. Die alten
Hütten verfallen, die neuen werden wenig sorgfältig
gebaut und gewähren nur ungenüenden Schutz gegen
den scharfen Seewind und die Regen
Das Bild der Pathologie der Eultas hat zwar
große Ahnlichkeit mit dem der Kanaken, ist aber doch
auch in einigen wesentlichen Punkten verschieden. Be-
sonders hat die Tuberkulose unter ihnen bereits viel
an Terrain gewonnen, denn von 81 nach Pirquect
diagnostisch geimpften Männern reagierten 30= 37 v.H.,
von 17 Frauen und Kindern 4— 24 v. H. positiv. Kli=
nisch maniseste Tuberkulose, die Dr. Kersten bei seinem
Besuche vermißte, konnten wir mehrfach, auch in weit
vorgeschrittenen Stadien, feststellen. Viel seltener als
ei den Kanaken waren Fußgeschwüre und Ver-
stümmelungen. Malaria ist stark verbreitet; 61 v.
der Missionsschüler halton Millgschwellung. Von 20 arf
Ankylostoma Untersuchten waren 11 Behaftete. Tinea,
Frambösic und eitrige Konjunktivitis fanden sich in
gleichem Maße wie bei den Kanaken. Die Männer,
die auf Geschlechtskrankgeiten unter-
suchte, waren frei davon. Die Fruchtbarkeitszahlen
der Sulkaltauen sind uh ungünstig. Bei einer von
Dr. Kersten angestellten Stichprobe hatten 30 jenseits
der Gebärfähigkeit stehende Frauen zusammen 118Kinder,
also im Durchschnitt annähernd vier geboren. Der Er-
nährungszustand der Leute ist nicht gut; Mais oder
ein anderes vegetabilisches Kraftfutter fehlt ihnen.
Schweine züchten sie reichlich, schlachten sie aber nur
bei Tanzfesten. Die Wasserversorgung ist nur in
wenigen Mörsen genügend.
3. Die Taulil. Dieser Stamm mußte be-
sonderes Interesse für uns haben, denn er ist einer
von den sogenannten „aussterbenden“ Völkern. Ganz
ohne Zweifel ist er unnnterbrochen an Zahl zurice
gegangen und hat heute keine 200 Scelen mehr.
älfte davon konnten wir um uns versammeln. Sche
Niederlassungen liegen in einer zwischen dem Varzin--
berge und den Baininger Bergen sich ausbreitenden
Ebene, und von jeher war er zwischen den beiden
großen Stämmen der Kanaken und Baininger einge-
keilt. Jene waren stels seine Bedrücker und haben das
Taulilgebiet oft heimgesucht, bisweilen zu kannibali-
schen Zwecken, wonach die Blutrache der Taulil zu
Gegenzügen führte, vor allem aber um Sklaven zu
erbeuten, wobei neben jungen Männern auch Frauen
und Kinder geraubt wurden. Diese wuchsen dann
unter den Kanaken auf, wußten schließlich kaum selbst
noch, daß sie Taulil seien, vergaßen ihre prache,
heirateten unter den Kanaken und fühlten sich in der
Mehrzahl heimisch unter ihnen. Se. Erzellenz der
Herr Gouverncur hat 1909 bei einem Besuche der
Taulil selbst an 40 solcher Leute ermittelt, die ehemals
gewaltsam von benachbarten Kanakendörfern weggeholt
worden waren und hat ihnen die Rückkehr in ihre alte
Heimat freigestellt. Sie haben keinen Gebrauch davon
gemacht. Derselbe Vorgang gewaltsamer Entführung
mit nachfolgender Assimilierung hat sich sehr oft im
Laufe der Jahrzehnte abgespielt. Oft war es auch
nach den Schilderungen der Taulil so, daß sie, von
einer Seite bedrängt, freiwillig in anderen Kanaken-
dörfern Zuflucht suchten und dauernd fanden. Unter
dem Druck fortwährender Beunruhigung und wirt-
schaftlicher Not haben die Leute schließlich die Freude
an ihrer Heimat verloren; nur selten bricht sie wieder
durch. So benutzte eine ungefähr dreißigjährige Frau
unsere Gegenwart, um ihren Wunsch, in die Heimat
zurückkehren zu dürfen, vorzubringen; sie war als Kind
von den Kanaken geraubt worden. Sonst verlassen
die Taulil nicht ungern ihre Dörfer, und die Arbeiter-
anwerbung hat leichtes Spiel bei ihnen. Von diesem
an sich so schwachen Völkchen arbeitet ein hoher Prozent-
satz auf auswärtigen Pflanzungen, und viele von ihnen
werden nicht zurückkehren. Das Zusammenschmelzen
der Taulil beruht also zum Teil auf den Verlusten an
Menschenleben in den Kriegszügen früherer Zeit, zum
frößeren Teil aber ist es einc Resorption durchs
kachbarvolk der Kanaken. Jene sind durch Aufrichtung
unserer Herrschaft ausgeschaltet, diese werden wir durch
unser Dazwischentreten zwar verzögern, aber kaum ver-
hindern können. Der Eingeborenenbevölkerung im
Paue wird daraus keine Einbuße erwachsen. Wir
aben hier einen Prozeß vor uns, wie er sich so oft
im Völkerleben der Eingeborenen abgespielt hat und
noch abspielt. und dessen Endwirkung die Bildung
größerer Stämme durch Aufsangen der kleineren ist.
Wir haben es also nicht mit einem Aussterben infolge
„Siechtums der Rasse"“, Krankheit, Hungersnot oder
dergleichen zu tun, sondern mit einer Resorption des
Schwächeren durch den Stärkeren. Dicht neben den
Taulil haben bis vor drei Jahrzehnten die Reste eines
weiteren Stammes, der Butams gewohm. die in-
zwischen völlig diesem Schicksal verfallen sind.
eitlang haben die Taulil sich kräftig und
unternehinnngssnhig genug gefühlt, nicht nur die An-
griffe der Kanaken zu erwidern, sondern ihrerseits die
Baininger zu bedrängen und nicht wenige von ihnen
zu Sklaven zu machen. Auch heute noch fühlen sie sich
diesen gegenüber als die Herren, nur daß sie jetzt die
Baininger gegen Bezahlung für sich arbeiten lassen.
Entsprechend den geichilderten Verhältnissen haben
die Saulil Weibermangel. Besond ers niedrig ist die
Zahl der Frauen von 35 Jahren an aufwärts. Wir
Vabl# die Kinderzahlen von 23 meist jüngeren Franen
ermittelt; sie hatten im ganzen 44 Geburten, also