Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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Damnarai, der auf halbem Wege zu ihren alten 
Wohnsiten liegt und als Verbindungsstation mit diesen 
dient. Aber wenn wir auch alle diese Verschiebungen 
berücksichtigen, bleibt immer noch einc auffallend hohe 
Sterblichkeit unter den Seßhaften. Wie ist sie zu 
erklären? Dr. Kersten hat die von ihm vorgefun- 
denen Patienten als solche mit Lungenentzündung 
diagnostiziert und auch die von Külz untersuchten 
akuten Erkrankungen waren Pneumonien. Die dabei 
so häufigen Seitenschmerzen, der oft tödliche Verlauf 
und die Furcht vor geheimnisvoller Zauberei hatten 
unter dem Stamm teilweise den Aberglauben geweckt, 
die Erkrankten seien von einem feindlichen, unsichtbaren 
Steinwurf getroffen und tödlich verletzt. Auch der unter 
ihnen tätige Pater nahm wenigstens für eine Anzahl der 
Todesfälle mit Besti mintbeit Meuchelmord an. Die drei 
Fälle, die ich selbst sehen konnte und die gleichfalls 
Opfer dieser 1 Steinwürfe sein sollten, waren 
zweisellos Pneumonien. zwei mit Phthisis vergesell- 
schaftet. eine in icuter Genesung. Wichtig scheint es mir 
aber, folgende Frage zu beantworten: Wie kommt es, 
daß die Leute erst in den letzten Jahren in so erhöhtem 
Maße an Lungenentzündung leiden und ihr erliegen, 
während es ihnen in den ersten Jahren der Siedelung, 
die doch soust die kritischen zu sein pflegen, gesundheit- 
lich gut ergangen war. Den Sulkas feblen die früher 
vorhanden gewesenen Arbeitskräfte zur Instandhaltung 
der eigenen Felder und Hütten: ihre Ernährung wird 
schlechter nach Menge und Beschaffenheit, die Wider- 
standsfähigkeit des Volkes und die natürlichen Schutz- 
kräfte gegen Krankheiten werden herabgesetzt und die 
Infektion mit akuten und chronischen Leiden wird be- 
günstigt, ihr Verlauf selbst schwerer gestaltet. Die 
erhöhte Sterblichkeit steigert die ohnehin schon große 
abergläubische Furcht der Leute vor bösen Geistern; 
sie fühlen sich unsicher an ihren Wohnsitzen, verlegen 
ihre Hütten bald da-, bald dorthin, in der Hoffnung, 
ihren vermeintlichen Feinden auszuweichen. Die alten 
Hütten verfallen, die neuen werden wenig sorgfältig 
gebaut und gewähren nur ungenüenden Schutz gegen 
den scharfen Seewind und die Regen 
Das Bild der Pathologie der Eultas hat zwar 
große Ahnlichkeit mit dem der Kanaken, ist aber doch 
auch in einigen wesentlichen Punkten verschieden. Be- 
sonders hat die Tuberkulose unter ihnen bereits viel 
an Terrain gewonnen, denn von 81 nach Pirquect 
diagnostisch geimpften Männern reagierten 30= 37 v.H., 
von 17 Frauen und Kindern 4— 24 v. H. positiv. Kli= 
nisch maniseste Tuberkulose, die Dr. Kersten bei seinem 
Besuche vermißte, konnten wir mehrfach, auch in weit 
vorgeschrittenen Stadien, feststellen. Viel seltener als 
ei den Kanaken waren Fußgeschwüre und Ver- 
stümmelungen. Malaria ist stark verbreitet; 61 v. 
der Missionsschüler halton Millgschwellung. Von 20 arf 
Ankylostoma Untersuchten waren 11 Behaftete. Tinea, 
Frambösic und eitrige Konjunktivitis fanden sich in 
gleichem Maße wie bei den Kanaken. Die Männer, 
die auf Geschlechtskrankgeiten unter- 
suchte, waren frei davon. Die Fruchtbarkeitszahlen 
der Sulkaltauen sind uh ungünstig. Bei einer von 
Dr. Kersten angestellten Stichprobe hatten 30 jenseits 
der Gebärfähigkeit stehende Frauen zusammen 118Kinder, 
also im Durchschnitt annähernd vier geboren. Der Er- 
nährungszustand der Leute ist nicht gut; Mais oder 
ein anderes vegetabilisches Kraftfutter fehlt ihnen. 
Schweine züchten sie reichlich, schlachten sie aber nur 
bei Tanzfesten. Die Wasserversorgung ist nur in 
wenigen Mörsen genügend. 
3. Die Taulil. Dieser Stamm mußte be- 
sonderes Interesse für uns haben, denn er ist einer 
von den sogenannten „aussterbenden“ Völkern. Ganz 
  
  
ohne Zweifel ist er unnnterbrochen an Zahl zurice 
gegangen und hat heute keine 200 Scelen mehr. 
älfte davon konnten wir um uns versammeln. Sche 
Niederlassungen liegen in einer zwischen dem Varzin-- 
berge und den Baininger Bergen sich ausbreitenden 
Ebene, und von jeher war er zwischen den beiden 
großen Stämmen der Kanaken und Baininger einge- 
keilt. Jene waren stels seine Bedrücker und haben das 
Taulilgebiet oft heimgesucht, bisweilen zu kannibali- 
schen Zwecken, wonach die Blutrache der Taulil zu 
Gegenzügen führte, vor allem aber um Sklaven zu 
erbeuten, wobei neben jungen Männern auch Frauen 
und Kinder geraubt wurden. Diese wuchsen dann 
unter den Kanaken auf, wußten schließlich kaum selbst 
noch, daß sie Taulil seien, vergaßen ihre prache, 
heirateten unter den Kanaken und fühlten sich in der 
Mehrzahl heimisch unter ihnen. Se. Erzellenz der 
Herr Gouverncur hat 1909 bei einem Besuche der 
Taulil selbst an 40 solcher Leute ermittelt, die ehemals 
gewaltsam von benachbarten Kanakendörfern weggeholt 
worden waren und hat ihnen die Rückkehr in ihre alte 
Heimat freigestellt. Sie haben keinen Gebrauch davon 
gemacht. Derselbe Vorgang gewaltsamer Entführung 
mit nachfolgender Assimilierung hat sich sehr oft im 
Laufe der Jahrzehnte abgespielt. Oft war es auch 
nach den Schilderungen der Taulil so, daß sie, von 
einer Seite bedrängt, freiwillig in anderen Kanaken- 
dörfern Zuflucht suchten und dauernd fanden. Unter 
dem Druck fortwährender Beunruhigung und wirt- 
schaftlicher Not haben die Leute schließlich die Freude 
an ihrer Heimat verloren; nur selten bricht sie wieder 
durch. So benutzte eine ungefähr dreißigjährige Frau 
unsere Gegenwart, um ihren Wunsch, in die Heimat 
zurückkehren zu dürfen, vorzubringen; sie war als Kind 
von den Kanaken geraubt worden. Sonst verlassen 
die Taulil nicht ungern ihre Dörfer, und die Arbeiter- 
anwerbung hat leichtes Spiel bei ihnen. Von diesem 
an sich so schwachen Völkchen arbeitet ein hoher Prozent- 
satz auf auswärtigen Pflanzungen, und viele von ihnen 
werden nicht zurückkehren. Das Zusammenschmelzen 
der Taulil beruht also zum Teil auf den Verlusten an 
Menschenleben in den Kriegszügen früherer Zeit, zum 
frößeren Teil aber ist es einc Resorption durchs 
kachbarvolk der Kanaken. Jene sind durch Aufrichtung 
unserer Herrschaft ausgeschaltet, diese werden wir durch 
unser Dazwischentreten zwar verzögern, aber kaum ver- 
hindern können. Der Eingeborenenbevölkerung im 
Paue wird daraus keine Einbuße erwachsen. Wir 
aben hier einen Prozeß vor uns, wie er sich so oft 
im Völkerleben der Eingeborenen abgespielt hat und 
noch abspielt. und dessen Endwirkung die Bildung 
größerer Stämme durch Aufsangen der kleineren ist. 
Wir haben es also nicht mit einem Aussterben infolge 
„Siechtums der Rasse"“, Krankheit, Hungersnot oder 
dergleichen zu tun, sondern mit einer Resorption des 
Schwächeren durch den Stärkeren. Dicht neben den 
Taulil haben bis vor drei Jahrzehnten die Reste eines 
weiteren Stammes, der Butams gewohm. die in- 
zwischen völlig diesem Schicksal verfallen sind. 
eitlang haben die Taulil sich kräftig und 
unternehinnngssnhig genug gefühlt, nicht nur die An- 
griffe der Kanaken zu erwidern, sondern ihrerseits die 
Baininger zu bedrängen und nicht wenige von ihnen 
zu Sklaven zu machen. Auch heute noch fühlen sie sich 
diesen gegenüber als die Herren, nur daß sie jetzt die 
Baininger gegen Bezahlung für sich arbeiten lassen. 
Entsprechend den geichilderten Verhältnissen haben 
die Saulil Weibermangel. Besond ers niedrig ist die 
Zahl der Frauen von 35 Jahren an aufwärts. Wir 
Vabl# die Kinderzahlen von 23 meist jüngeren Franen 
ermittelt; sie hatten im ganzen 44 Geburten, also 
 
	        
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