Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXV. Jahrgang, 1914. (25)

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Ecceht lcher Teil 
Nachrichten aus den deutschen Schutzgebieten. 
(Abdruck der Nachrichten vollständig oder teilweise nur mit Quellenangabe gestattet.) 
Deutsch-Ostafrika. 
Die Waniaturu in der Behandlung von 
lerhrankheliten. 
Von Regierungstierarzt Hoffmeister, 
Deutsch-Ostafrika. 
(Mit sechs Abbildungen.) 
Die Waniaturu haben ihre Wohnsitze im nörd- 
lichen Teile des Bezirks Dodoma in einer Land- 
schaft, die 1100 bis 1400 m hoch liegt. Es ist 
ein schöner kräftiger Menschenschlag, aber von 
großer Schen und Mißtrauen dem Europäer 
gegenüber. Ihre Beschäftigung besteht in Ackerbau 
und Viehzucht (Rinder-, Ziegen= und Schafzucht). 
Es wird auch Eselzucht getrieben, namentlich von 
seiten der Jumben. Die letzte Viehzählung er- 
gab gegen 200 000 Rinder und fast 150 000 Stück 
Kleinvieh. Die Wartung des Viehs liegt den 
Weibern und Kindern ob und beschränkt sich nur 
auf das Nötigste. Während meiner Tätigkeit beim 
Impfen gegen Rinderpest habe ich Gelegenheit 
genommen, mit den Eingeborenen in näheren 
Verkehr zu treten, was mir durch den Erfolg der 
Impfungen wesentlich erleichtert wurde. Ich war 
erstaunt, bei ihnen Kenntnisse in der Behandlung 
von Tierkrankheiten vorzufinden, welche von einer 
guten Beobachtungsgabe und Geschicklichkeit zeugen. 
Die Behandlung erstreckt sich fast nur auf 
äußere chirurgische Leiden. Naturgemäß erkranken 
die Tiere dank der natürlichen Lebensweise und 
Abhärtung weniger an inneren Krankheiten, ab- 
gesehen von Seuchen. 
Die Wundbehandlung wird meist der Natur 
überlassen. Große Wunden jedoch werden genäht 
— kutuma —, bei vorhandener Taschenbildung 
wird die Wunde künstlich erweitert. Als Näh- 
material dienen Tiersehnen, die entwässert, ge- 
trocknet, geklopft und zerfasert werden. Zu Näh- 
nadeln werden die gewöhnlichen, zum Nähen der 
Kleidungsstücke gebrauchten Nadeln verwandt. 
Sie bestehen aus Eisen, sind je nach Art des 
Gebrauches 5 bis 30 cm lang und zumeist am 
Griff etwas geriefelt. Fast ausschließlich findet 
die Knopfnaht Anwendung, aber auch die fort- 
laufende Naht bei langen Wunden ist bekannt. 
Nach dem Nähen wird das Operationsfeld mit 
Holzasche als Desinfektionsmittel bestreut. (Näh- 
nadel siehe Abbild. 5.) 
  
Infolge der heftigen kalten Stürme, die fast 
das ganze Jahr hindurch wehen und viel Sand 
mit sich führen, sind Augenentzündungen nicht 
selten. Bei hartnäckiger Konjunktivitis — iku- 
wanwa imiho — wird um das erkrankte Auge 
mit glühendem Speer ein Kreis gebrannt und 
dadurch eine Schwächung der Entzündung erzielt. 
Lockere oder sonstwie beschädigte Zähne werden 
entfernt, sofern sie die Futteraufnahme erschweren. 
Diese Operation bezeichnet man mit „uhuheja"“. 
Das betreffende Tier wird abgeworfen, das Maul 
mit Rindenstricken geöffnet und mit Oolzstücken 
firiert. Der Sachverständige schneidet zwischen 
Zahnfleisch und Zahn ein und zieht ersteres mit 
Hilfe eines eisernen Hakens nach unten. Ein 
zweites hakenförmiges Instrument (siehe Abbild. 2) 
mit breiter scharfer Spitze führt die Trennung auf 
allen Seiten durch, während Klopfen und Rütteln 
des Zahnes diese Arbeit unterstützt. 
Der Aderlaß — kolahela — wird hänufiger 
und mittels Bogens und Pfeils ausgeführt. Die 
Jugularis wird zu diesem Zweck durch eine straff 
um das mittlere Drittel des Halses gelegte und 
hinter dem Buckel befestigte Schnur zur An- 
schwellung gebracht. Der Operateur kniet dann 
ein bis zwei Schritt vom Rind entfernt am Boden 
und schießt mit sicherer Hand den Pfeil in die 
Vene. Das ausfließende Blut wird sorgfältig 
in einer bereitgehaltenen Kürbisschale aufgefangen, 
und gibt mit Mehl verrührt eine geschätzte Speise. 
Der benutzte Pfeil wird vor Gebrauch bis auf die 
1 bis 1½ em freie Spitze dick umwickelt, um so eine 
Verletzung der Hinterwand der Vene zu vermeiden. 
Die Pfeilspitze ist lanzettförmig und beiderseits 
scharf geschliffen (s. Abbild. 6); in horizontaler Flug- 
bahn durchbohrt sie die Vene. Der Aderlaß wird 
ausgeführt bei starkem Durchfall, Anschwellungen 
sowie bei Benommensein der Rinder. Außerdem 
wird das Blut auch nur zu Genußzwecken ent- 
nommen und, wie oben erwähnt, genossen. 
Als vor drei Jahren das Küstenfieber — geneti 
— in einem Teile Turus auftrat, wurden die 
geschwollenen Bugdrüsen mit glühenden Speeren 
in senkrechtem Strich gebrannt. 
Einige Strichbrände quer über den Unterbauch 
werden ausgeführt bei schwerer Pausenverstopfung 
bzw. -zlähmung — inhupitenanda.
	        
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