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Hängematte aufzutreiben, so daß sie die 30 km
bis Jabassi nicht zu Fuß zurücklegen brauchte.
Leider mußten wir dafür aber von dem Wenigen,
das wir verpackt hatten, noch sechs Kisten zurück-
lassen. Kurz vor der Abreise bat ich einen eng-
lischen Offizier, doch dafür zu sorgen, daß nicht
farbige Soldaten die letzten seien, die das Grund-
stück verließen. Ich befürchtete nämlich mit Recht,
daß diese vor dem Abmarsch noch plündern
würden. Er versicherte mir dann, daß Engländer
als letzte den Platz verlassen würden und ich
nichts zu befürchten hätte. Als ich mich nachher
noch einmal umschaute, sah ich auch, daß einige
englische Offiziere um das Haus herumgingen.
Es war ein gewaltiger, wohl 1½ km langer
Zug, in dem wir uns befanden. Vor und hinter
uns, soweit wir auf dem schmalen Wege blicken
konnten, Soldaten mit aufgepflanzten Seiten-
gewehren, dazwischen auf den Schultern von
Trägern Feldgeschütze und Maschinengewehre.
Und das alles, um einige Missionare und eine
Frau, die friedlich auf ihrer Station waren, fort-
zuholen!
Nachdem wir etwa ½ km gegangen waren,
erhielt der neben mir hergehende Offizier einen
vom Oberst unterschriebenen Zettel, auf welchem
er nach den Schlüsseln für die Zimmer, in denen
wir unsere zurückgelassenen Sachen untergebracht
hatten, fragte. Nichts Übles ahnend, setzten wir
die Reise fort. In Ndogobao angekommen, wurde
kurze Rast gemacht. Hier trafen wir unsere
Mädchen und andere Eingeborene, die uns nach-
gelausen waren, an und erfuhren von ihnen,
daß die Engländer, welche nach unserm Ab-
marsch auf dem Grundstück zurückgeblieben waren,
Türen, sowie Kisten und Kasten erbrochen
und alles Brauchbare eingepackt oder an Ein-
geborene verkauft hätten. Wir wollten es zuerst
nicht glauben, es wurde uns aber von ver-
schiedener Seite bestätigt. Es war dies eine
dußerst schmerzliche Nachricht für mich, nicht so
sehr in Anbetracht unseres Verlustes, sondern
vielmehr im Gedanken daran, daß englische Offi-
ziere, darunter ein Oberst, sich derart erniedrigten,
daß sie zu gemeinen Räubern wurden.
Als wir in Jabassi ankamen, dunkelte es
bereits. Wir wurden in Gegenwart unserer
Träger aufgefordert, uns, obwohl auf den Bänken
genügend Raum vorhanden war, auf den mit
Wasser bedeckten Boden des Bootes zu setzen,
wogegen wir jedoch protestierten. Wir über-
nachteten in einem Hause der Firma C. Woer-
mann, in welcher sich auch nicht ein einziges
Möbelstück mehr befand. Alles war geraubt
worden! Hier machten wir auch die schmerzliche
Erfahrung, daß uns neun unserer Lasten
fehlten. Einer der Engländer tröstete uns mit
der Bemerkung, daß dieselben wohl aus Versehen
in den Regierungsschuppen gebracht worden seien.
Als wir jedoch am nächsten Tage auf der Weiter-
fahrt nach Duala einige der Sachen im Besfttz
englischer Soldaten sahen, wußten wir, daß wir
aufs neue beraubt worden waren.
Bemerken möchte ich noch, daß die Engländer
schon bald nach ihrer Ankunft in Nyamtang ver-
schiedentlich andeuteten, während der Reise dahin
am Wege verschiedene Leichen von Ein-
geborenen gesehen zu haben; sie hoben hervor,
daß man es nicht verstehe, wie deutsche Sol-
daten harmlose Eingeborene niederschießen könnten.
Auf der Reise nach Jabassi kam der uns be-
gleitende Offizier wieder auf die „Grausam-
keiten“ der deutschen Truppen zu sprechen.
Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß es noch
keineswegs erwiesen sei, wer die Eingeborenen
erschossen habe, falls es aber von deutscher Seite
geschehen sein sollte, so könne es sich nur um
Schwarze gehandelt haben, die entweder sich
weigerten, Lasten zu tragen, oder die beim
Truppentransport versucht hätten, zu fliehen.
Unter gleichen Verhältnissen würden die Eng-
länder ebenso gehandelt haben; das sei doch noch
keine Grausamkeit. Der Gegenstand wurde dann
auf der Reise nicht weiter berührt. Erst nachdem
wir in Duala angekommen waren, wurde ich
vor das Oberkommando geladen und auf-
gefordert, etwas über die „Grausamkeiten“ der
Deutschen niederzuschreiben. Ich weigerte mich
und wurde entlassen. Bald erfolgte eine zweite
Vorladung. Wieder kam dieselbe Zumutung.
Nachdem ich mich bereit erklärt hatte, zu schreiben,
was ich gesehen habe, konnte ich wieder gehen.
Der Inhalt meiner Niederschrift, die ich dann
einreichte, handelte von der schamlosen Behand-
lung, welche uns und andern Missionaren zuteil
geworden war. Hierauf wurde ich wieder vor-
geladen und scharf verwarnt, denn meine Auf-
zeichnungen seien eine Anklage der englischen
und französischen Soldaten und eine Verdächtigung
des gesamten Kommandos. Man hatte aber den
traurigen Mut, noch einen Schritt weiter zu
gehen und mir in Aussicht zu stellen, am nächsten
Tage aus der Gefangenschaft entlassen zu werden,
wenn ich ihren Wunsch erfüllte und einen Bericht
über „Grausamkeiten, verübt von den deutschen
Truppen“ ihnen zusenden würde! Sellbst-
verständlich konnte ich das nicht tun. Unter der
Beschuldigung, ich hätte als amerikanischer Bürger
die Neutralität verletzt und die deutsche Regierung
in ihren Zielen unterstützt, sind dann meine Frau
und ich als Kriegsgefangene nach England ge-
bracht worden. Selbst noch dort begründete
man mein Festhalten durch Neutralitätsverletzung.