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auf Körnerkrankheit, Rückfallieber und Typhus, weil gerade bei
diesen Krankheiten der Verkehr eine ebenso große Rolle spielt wie
bei den Krankheiten des Reichsgesetzes. Zu bedauern ist, daß die-
selbe Befugnis nicht bei Genickstarre und Ruhr gegeben ist. Daß
die Genickstarre durch den Verkehr in außerordentlicher Weise ver-
breitet wird, haben die Erfahrungen des Jahres 1905 unzweifelhaft
ergeben. Übrigens ist hervorzuheben, daß eine Meldepflicht bei Körner-
krankheit in Preußen schon seit längerer Zeit besteht, da durch Erlaß
des Herrn Ministers des Innern vom 4. September 1899 vorgeschrieben
ist, daß russische Saisonarbeiter der Polizeibehörde von ihrer Arbeits-
stätte innerhalb von 3 Tagen nach ihrer Ankunft zu melden und
auf Körnerkrankheit ärztlich zu untersuchen sind. Eine Lücke weist
diese Bestimmung insofern auf, als das Gesetz bei den drei Krank-
heiten (Körnerkrankheit, Rückfallieber und Typhus), bei denen es
die Einführung der Meldepflicht zuläßt, richt gleichzeitig die Beob-
achtung ansteckungsverdächtiger Personen gestattet, während doch
die Meldepflicht nur dann Zweck hat, wenn sich an die Meldung
eine Beobachtung anschließen kann.
In den Anweisungen;) des Bundesrates für die Bekämpfung der
gemeingefährlichen Krankheiten und in den allgemeinen Ausfüh-
rungsbestimmungen zu dem preußischen Gesetz zu $ 8 Zi. 3, LU,
Abs. 2 wird noch bestimmt, daß unter zureisenden Personen nicht nur
ortsfremde Personen, die von auswärts eintreffen, sondern auch orts-
angehörige Personen zu verstehen sind, die nach längerem oder
kürzerem Verbleiben in einer von der betreffenden Krankheit be-
troffenen Ortschaft oder in“einem solchen Bezirke nach Hause zurück-
kehren. Es list ohne weiteres klar, daß ein Einwohner von Berlin,
der in der Zeit, als in Hamburg die Cholera herrschte, dorthin ge-
reist war, dort ebensogut Oholerakeime in sich aufgenommen haben
konnte, wie Personen, die in Hamburg wohnten, und daher bei seiner
Rückkehr nach Berlin für diese Stadt ebenso gefährlich werden konnte,
wie eine in Hamburg ansässige Person.
Die Erfahrung spricht dafür, daß die höheren Verwaltungsbehörden
im allgemeinen wenig Neigung haben, von der Bestimmung des S 13
R.G. Gebrauch zu machen. Es ist zuzugeben, daß sie mit einer
großen Erschwerung des Verkehrs verbunden ist, und daß sie nament-
lich im Grenzverkehr, der zu Zeiten, wo in einem Nachbarland eine
Epidemie herrscht, besonders gefährlich ist, sich nur überaus schwer
durchführen läßt. Würde jede Person, welche im Grenzverkehr die
Grenze überschreitet, sich polizeilich melden müssen, so würde dies
zu einer gewaltigen Belästigung nicht nur der Bevölkerung, sondern
auch der Polizeibehörden führen, und die Folge davon würde sein,
daß sich schließlich die gesamte Bevölkerung der Grenzorte unter
Beobachtung befände, eine Mafßregel, die völlig undurchführbar wäre.