Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

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Schon oben ist die Frage gestreift worden, wann die Absonderung 
einer kranken oder verdächtigen Person wieder aufgehoben werden 
darf. Dies darf zweifellos nicht geschehen, bevor jede Ansteckungs- 
gefahr vorüber ist. Nach $ 16 Abs. 4f des Regulativs vom 8. August 
1835 sind auch die Rekonvaleszenten bis zum Ablauf ihrer Rekon- 
valeszenz noch isoliert zu erhalten, nach $ 19 Abs. 1 a. a. O. hat 
erst „nach seiner (des Kranken) durch den Arzt erklärten völligen 
Genesung“ die Schlußdesinfektion zu erfolgen. 
Gegen diese auch heute noch durchaus richtige Auffassung wird 
jedoch in der Praxis vielfach gefehlt, weil die klinische Genesung, wie 
wir jetzt wissen, mit der bakteriologischen nicht zusammenfällt, d. h. 
weil der Rekonvaleszent bei vielen Krankheiten nach Eintritt schein- 
bar völliger Genesung noch eine Zeit lang ansteckend bleibt. 
Cholerakranke scheiden nicht selten nach völligem Ablauf des 
Choleraanfalls noch virulente Choleravibrionen im Stuhle aus; Diphtherie- 
und Genickstarrekranke beherbergen noch wochenlang nach der Ge- 
nesung die Diphtheriebazillen bezw. Meningokokken im Rachenschlein ; 
Ruhr- und Typhusrekonvaleszenten können sogar noch monatelang nach 
ihrer klinischen Genesung Ruhr- bezw. Typhusbazillen in ihrem Kot 
ausscheiden. 
Bei Krankheiten, wie Cholera, Diphtherie, Genickstarre, Milzbrand 
und Pest, bei denen, soweit wir wissen, der Aufenthalt der Krank- 
heitskeime im Kranken die klinische Genesung nur verhältnismälig 
kurze Zeit überdauert, sollte die Absonderung des Kranken nicht eher 
sufgehoben werden, als bis der Nachweis erbracht ist, daß die Krank- 
heitskeime aus den Absonderungen des Kranken verschwunden sind. 
Bei Krankheiten, wie Ruhr und Typhus, bei denen die Ausscheidung 
von Krankheitskeimen den Eintritt der klinischen Genesung Monate 
und selbst Jahre überdauern kann, verbietet sich die Aufrechterhaltung 
der Absonderung während einer so langen Zeit von selbst. Bei diesen 
Krankheiten muß man die Kranken, auch wenn sie „Daueraus- 
scheider“ sind, nach Ablauf einer bestimmten Zeit nach Eintritt der 
klinischen Genesung aus der Absonderung entlassen; man muß aber, 
wozu man unzweifelhaft das Recht hat, ihre Ausleerungen von Zeit zu 
Zeit bakteriologisch untersuchen und dafür Sorge tragen, daß die 
Kranken während der Zeit der Bazillenausscheidung ihre Ausleerungen 
regelmäßig desinfizieren. Zu einer solchen „Beobachtung“ gibt $ 8 
Abs. 1 Ziff. 7 u. 10 die gesetzliche Unterlage. 
Hier ist der Ort, um mit einigen Worten der sogenannten „Ba- 
zillenträger“, d. h. derjenigen Personen aus der Umgebung des 
Kranken zu gedenken, welche die Krankheitskeime beherbergen und 
in ihren Absonderungen ausscheiden, ohne klinisch krank zu sein. 
Wir kennen solche bis jetzt mit Sicherheit bei Cholera, Diph- 
therie, Genickstarre, Pneumonie,Ruhr und Typhus. Sind
	        
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