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diese Personen als krank, krankheits- oder ansteckungsverdächtig an-
zusehen ?
Ansteckungsverdächtig sind sie zweifellos nicht, denn es besteht
ja bei ihnen nicht der Verdacht, sondern die Gewißheit, daß sie die
Krankheitskeime in sich aufgenommen haben. Sie sind daher auch
nicht krankheitsverdächtig, sondern krank im Sinne des Gesetzes, trotz-
dem sie sich anscheinend wohl befinden. Daß diese Auffassung die
richtige ist, geht schon daraus hervor, daß es bereits mehrmals beob-
achtet werden konnte, daß Personen aus der Umgebung von Kranken,
in deren Ausleerungen ÜOholera-, Genickstarre- bezw. Typhuserreger
gefunden waren, kurz darauf selbst an Cholera, Genickstarre bezw.
Typhus erkrankten. Durchaus folgerichtig sagt denn auch die An-
weisung des Bundesrats zur Bekämpfung der Cholera in $ 17 Abs. 1:
„Anscheinend gesunde Personen, in deren Ausleerunten bei der bak-
teriologischen Untersuchung Öholeraerreger gefunden wurden, sind wie
Kranke zu behandeln.“ Nur mit Rücksicht auf die lange Dauer,
während deren die Bazillenträger beim Typhus die Typhuserreger aus-
scheiden, nimmt die Anweisung des Medizinalministers für die Be-
kämpfung des Typhus nicht denselben Standpunkt ein, sondern be-
gnügt sich mit der Vorschrift in Ziff. 3 I Abs. 6 der allgemeinen
Ausführungsbestimmungen zu $ 8 P.G.:
„Anscheinend gesunde Personen, welche in ihren Ausleerungen
die Erreger von Diphtherie, übertragbarer Genickstarre, Ruhr oder
Typhus ausscheiden („Bazillenträger“), sind auf die Gefahr, welche
sie für ihre Umgebung bilden, aufmerksam zu machen und zur Be-
folgung der erforderlichen Desinfektionsmaßnahmen anzuhalten.“
‘. Krankenbeförderung.
A.A.SS8III Abs. ?”—10 P.G. Zur Beförderung von Personen, welche nach den
Bestimmungen des Gesetzes abgesondert werden Können, sollen dem öffent-
lichen Verkehr dienende Beförderungsmittel (Droschken, Straßen- oder Eisen-
bahnwagen u. dgl.) in der Regel nicht benutzt werden.
Soll dennoch ein derartiger Kranker oder Krankheitsverdächtiger aus-
nahmsweise mit der Eisenbahn befördert werden, so darf dies von der Polizei-
behörde nur unter der Bedingung gestattet werden, daß der Person ein zu-
verlässiger Begleiter beigegeben wird. Auch hat die Polizeibehörde den
Transport dem Bahnhofsvorstand der Abfahrts- sowie demjenigen der Be-
stimmungsstation rechtzeitig vorher unter Angabe von Tag und Stunde der
Abfahrt und der Ankunft anzuzeigen. Der Bahnhofsvorstand der Abgangs-
station hat dem Zugführer und dem Schaffner des Wagenabteils, in welchem
die Person befördert werden soll, in einer für dieselbe schonenden Form von
der Art der Erkrankung Kenntnis zu geben.
Das betreffende Wagenabteil und der Abort sind alsbald vorschriftsmäßig
zu desinfizieren.
Es ist schon in seuchenfreien Zeiten darauf hinzuwirken, daß wenigstens
in den größeren Städten zur Beförderung der Kranken geeignete, außen und
innen desinfizierbare Fuhrwerke von Fuhrherren, Vereinen oder aus Öffent-
lichen Mitteln bereit gehalten werden.