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werden, werden daher zu Zeiten von Epidemien mit besonderer Vor-
sicht zu behandeln sein.
Neben den vorstehend erwähnten, unmittelbar von den Kranken
selbst herrührenden Gegenständen kommen gewisse Nahrungsmittel
in Betracht, die unter Umständen die Krankheitskeime in sich aufnehmen
und weiterverbreiten können. Dies gilt vor allem von der Milch, die
besonders bei der Verbreitung der Cholera,der Ruhr und des Typhus
eine Rolle spielt. In die Milch gelangen die Krankheitskeime ent-
weder dadurch, daß Personen, welche mit der Krankenpflege beschäf-
tigt sind, die Kühe melken, ohne sich vorher die Hände sorgfältig
gereinigt zu haben, oder dadurch, daß die Melkeimer mit Wasser aus-
gespült werden, in welches die Krankheitskeime gelangt sind. DBe-
sonders gefährlich sind in dieser Beziehung die sogenannten Sammel-
molkereien, in welche eine größere Anzahl von kleinen Viehbesitzern
regelmäßig ihre Milch einliefert, um sie dort zu Butter verarbeiten zu
lassen und dann die nach der Buttergewinnung übrigbleibende Mager-
milch wieder zurück zu empfangen. Befindet sich auf dem Gehöfte
eines der Interessenten einer solchen Sammelmolkerei ein Fall von
Oholera, Typhus oder Ruhr, so wird die Milch von diesem Gehöft
überaus leicht mit Krankheitskeimen infiziert; wird diese Milch dann
in der Sammelmolkerei verarbeitet, so wird, wie zahlreiche epidemio-
logische Erfahrungen beweisen, häufig genug die Krankheit auf einen
großen Teil der Milchlieferanten übertragen. Kommt eine solche in-
fizierte Milch in die Stadt, wird sie dort in Vorkosthandlungen, Milch-
und Speisewirtschaften, Bäckereien und Konditoreien weiterverarbeitet,
so kann sie, wie leicht ersichtlich, die Krankheit weiterverbreiten.
Inwieweit die Milch bei Diphtherie und Scharlach eine Rolle
spielt, ist noch nicht mit Sicherheit aufgeklärt, jedoch spricht mancherleı
dafür, daß auch diese Krankheiten gelegentlich durch die Milch ver-
breitet werden können. Daß die Milch von milzbrandkranken Tieren
die Krankheit zu übertragen vermag, ist eine bekannte Tatsache;
ebenso wird die Milch von Tieren, welche an Maul- und Klauenseuclie
leiden, als Krankheitsübertrager angesehen. Eine besondere Rolle
spielt die Milch auch bei der Tuberkulose. Allerdings ist diese
Frage noch nicht völlig geklärt, denn einerseits gehen die Anschau-
ungen über die Rolle, welche die Milch bei der Verbreitung der Tuber-
kulose spielt, noch auseinander, da Robert Koch eine solche Mög-
lichkeit leugnet, während von Behring sie als Hauptquelle der
Tuberkulose des Menschen ansieht. Andererseits muß ausdrücklich
festgestellt werden, daß, selbst wenn von Behring recht hätte, das
Gesetz uns keine Handhabe gibt, den Verkehr mit der Milch von
perlsüchtigen Kühen irgendwelcher Beschränkung zu unterwerfen, weil
ja Erkrankungen an Lungen- und Kehlkopftuberkulose nicht anzeige-
pflichtig, und die bezüglichen Bestimmungen des Reichsgesetzes daher