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auf dieselben nicht anwendbar sind. Hier wird die in Beratung befind-
liche Novelle zum Viehseuchengesetz hoffentlich Abhilfe schaffen.
Für Tierkrankheiten, welche auf den Menschen übertragbar sind,
kommen die von den Tieren herrührenden Gegenstände als Krankheits-
überträger in Betracht; von solchen Krankheiten erwähnt das Gesetz
Milzbrand, Rotz und Wut, jedoch können die beiden letzteren
bei dieser Betrachtung ausscheiden, weil die Übertragung von Rotz
und Wut durch Abfallstoffe von Tieren kaum je beobachtet worden ist.
Um so häufiger kommt etwas derartiges bei Milzbrand vor. Rinder,
Schafe und Schweine, welche an Milzbrand erkranken, haben reich-
liche blutige Durchfälle; in diesen Ausleerungen befinden sich zahl-
reiche Krankheitskeime, welche an der Luft überaus dauerhafte Sporen
bilden. Diese Krankheitskeime finden sich auch im Blute der er-
krankten Tiere. Wird ein solches Tier geschlachtet, so wird das aus-
tretende Blut die Krankheit übertragen können. So kommt es, daß be-
sonders Schlächter und Abdecker, welche mit derartigen Tieren
zu tun haben, nicht so selten an Milzbrandkarbunkel erkranken. Das
Gleiche beobachtet man in Gerbereien, in welchen die Felle von
Rindern und Schafen verarbeitet werden, während in anderen Fabriken,
in denen die Wolle von Schafen sortiert, Roßhaare gesponnen,
Schweineborsten zu Bürsten und Pinseln verarbeitet und Lumpen
verhandelt oder zu Papier verarbeitet werden, infolge der Einatmung
des hierbei sich entwickelnden Staubes eine eigenartige Form von
Lungenmilzbrand, die sogenannte Hadernkrankheit, entsteht. Eine
sehr eigenartige Entstehungsweise des Lungenmilzbrandes hatte ich wäh-
rend meines Aufenthaltes in Ägypten Gelegenheit zu beobachten. Dort
erkrankten in einem Fellahdorfe fast gleichzeitig 40 Frauen an einer
schweren Lungenentzündung, welche den Verdacht von Lungenpest er-
weckte. Herr Professor Bitter, der Direktor des hygienischen Instituts
in Cairo, stellte jedoch fest, daß es sich nicht um Pest, sondern um
Milzbrand handelte, und daß die Erkrankung dadurch zustande ge-
kommen war, daß die Frauen, wie es in Ägypten allgemein üblich ist,
den Dünger von Kamelen zu kleinen Kuchen verarbeitet hatten, welche
als Brennmaterial dienen sollten. Der Dünger rührte von an Milz-
brand erkrankten Kamelen her, bei deren Verarbeitung die Milzbrand-
sporen verstäubten, und so war diese eigenartige Erkrankung zustande
gekommen.
Die Befugnis, Maßregeln zu treffen, durch welche die vorstehend
gekennzeichneten Gefahren verhütet werden können, wird durch § 15
Ziff. 1 und 2 R.G. gegeben, und zwar besteht diese Befugnis hin-
sichtlich der sechs Krankheiten des Reichsgesetzes nicht nur für Ort-
schaften und Bezirke, welche von einer dieser Krankheiten befallen,
sondern auch für solche, welche von ihr nur bedroht sind. Zu Zeiten
von Cholera-, Fleckfieber-, Pest- und Pockengefahr können also die