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P. A. Zur gesundheitspolizeilichen Überwachung des Schiffahrts- und Flößerei-
verkehrs in den von der Cholera befallenen oder bedrohten Bezirken ist in
jedem einzelnen Falle von den betreffenden Regierungspräsidenten die Ge-
nehmigung der Minister der Medizinal-Angelegenheiten und für Handel und
Gewerbe einzuholen.
Die Belehrung für Schiffer — zu Anlage 9 der Anweisung — wird in der
erforderlichen Anzahl in dem Ministerium der Medizinal-Angelegenheiten
bereit gehalten und kann behufs Verteilung in Zeiten drohender Cholera-
gefahr erbeten werden.
Anlage 9: Grundsätze für die gesundheitliche Überwachung des Binnen-
schiffahrts- und Flößereiverkehrs (s. Anhang).
Um die Gefahren, welche mit dem Personenverkehr verbunden
sind, tunlichst einzuschränken, erteilt $15 Ziff. 4 und 5 den Landes-
behörden die Befugnis, für Ortschaften und Bezirke, welche von einer
gemeingefährlichen Krankheit befallen oder bedroht sind, die in der
Schiffahrt, der Flößerei oder sonstigen Transportbetrieben beschäftigten
Personen einer gesundheitlichen Überwachung zu unterwerfen. Die-
selbe Befugnis wird im preußischen Gesetz auf das Rückfallfieber aus-
gedehnt.
Es bedarf zunächst noch der Erklärung, was unter den sonstigen
Transportbetrieben zu verstehen ist. Es können damit nur die Eisen-
bahnen und die Post gemeint sein. Die in diesen Betrieben beschäf-
tigten Personen haben in der Tat vielfach Gelegenheit, mit Menschen,
welche Krankheitskeime in sich aufgenommen haben können, in Be-
rührung zu kommen. Inwieweit diese Personen zu Zeiten von Epidemien
gesundheitspolizeilich zu überwachen sind, wird von den betreffenden
Verwaltungen von Fall zu Fall bestimmt.
Von Interesse für die allgemeine Landesverwaltung sind besonders
die in der Schiffahrt und der Flößerei beschäftigten Personen. In wie
hohem Grade sie geeignet sind, die Krankheit zu verbreiten, wurde
schon bei dem ersten Auftreten der Cholera in Deutschland erkannt,
und eingehende Bestimmungen über die Behandlung ausländischer
Flußschiffer finden sich bereits in $ 33 des Regulativs von 1835.
Danach dürfen ausländische Flußschiffer, welche aus Choleragegenden
kommen, zwar die einheimischen Ströme befahren, sie müssen aber
während ihrer Durchfahrt auf dem Mastbaum eine gelbe Flagge führen
und dürfen das Ufer selbst zum Behufe des Treidelns nicht betreten.
Während der Choleraepidemie von 1892/94 und während der Üholera-
gefahr im Jahre 1905 wurde die gesundheitspolizeiliche Überwachung
des Schiffahrts- und Flößereiverkehrs auf den gefährdeten Wasser-
straßen mit außerordentlichem Erfolge durchgeführt. Es wurden in
den gefährdeten Flußgebieten in bestimmten Abständen Überwachungs-
stellen eingerichtet, welche mit einem ausreichenden Personal von
Ärzten, Krankenwärtern, Desinfektoren und Polizeimannschaften, sowie
mit Unterkunftsräumen für Kranke, Krankheits- und Ansteckungsverdäch-
tige und einem Desinfektionsapparat ausgestattet wurden. An diesen