Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

— 1509 — 
auf öffentliche Bade-, Wasch- und Bedürfnisanstalten Anwendung 
finden soll. Es ist richtig, daß zu Zeiten einer Fleckfieber-, Pest- 
oder Pockenepidemie öffentliche Badeanstalten wohl als Ver- 
mittler der Krankheitsübertragung in Betracht kommen können, 
jedoch nur dann, wenn die Angehörigen von Kranken, also an- 
steckungsverdächtige Personen, die Badeanstalt aufsuchen. Die Beschrän- 
kung der Benutzung öffentlicher Badeanstalten wird darin zu bestehen 
haben, daß der Besuch der Badeanstalten von gesunden Personen aus 
Behausungen, in welchen eine Erkrankung vorgekommen ist, zu unter- 
sagen Ist. 
Die zahlreichen epidemiologischen Erfahrungen, welche für die 
Verbreitung von Cholera, Ruhr und Typhus durch Brunnen und öffent- 
liche Wasseranlagen sprechen, haben aber dahin geführt, daß viele 
Ärzte und auch Medizinalbeamte bei jeder Epidemie in erster Linie 
oder gar ausschließlich an irgend eine Wasserquelle denken und alles 
Notwendige getan zu haben glauben, wenn sie die Schließung des ver- 
dächtigen Brunnens oder eine Beschränkung der verdächtigen Wasser- 
leitung in Anregung gebracht haben. Dieses Vorgehen ist ein durchaus 
einseitiges, weil es die zahlreichen Fälle außer acht läßt, in welchen 
die Verbreitung von Cholera, Ruhr und Typhus durch Übertragung 
von Person zu Person stattfindet. Es ist sehr bequem, sich ohne 
weiteres auf das Wasser zu stürzen, und erspart Nachdenken, aber es 
ıst der Nachteil damit verknüpft, daß andere wichtige Möglichkeiten 
der Krankheitsübertragung aus dem Auge gelassen werden, und die 
Absicht, die Epidemie zu verhüten oder zu bekämpfen, nicht erreicht 
wird, Deswegen wird in den allgemeinen Ausführungsbestimmungen 
Ziff. 3, IX, Abs. 2 ausdrücklich angeordnet, daß vor dem Erlaß einer 
solchen Anordnung sorgfältig zu prüfen ist, ob die betreffende Anlage 
ihrer Lage, Bauart und Einrichtung nach geeignet ist, zur Verbreitung 
der Krankheit beizutragen. Es wird weiter vorgeschrieben, daß die 
Eintscheidung hierüber nicht ohne vorherige Anhörung des beamteten 
Arztes zu treffen ist, und es wird endlich angeordnet, daß in Zweifels- 
fällen eine bakteriologische Untersuchung zu veranlassen ist. 
Was letztere betrifft, so ist nicht zu leugnen, daß sie nicht in allen 
Fällen eine einwandsfreie Antwort zu erteilen vermag. In zahlreichen 
Fällen findet man in dem Wasser von Brunnen und Wasserleitungen 
auch dann, wenn sie zweifellos die Ursache der Epidemie sind, bei 
der bakteriologischen Untersuchung die Krankheitserreger nicht. Dies 
liegt häufig daran, daß zwischen der Zeit, in welcher die Infektion 
des Wassers stattfand, und derjenigen, in welcher die Feststellung der 
Krankheit erfolgte, ein so langer Zwischenraum liegt, daß während 
desselben die Krankheitskeime im Wasser zu Grunde gegangen sind. 
In anderen Fällen, in denen eine Wasserversorgungsanlage unschuldig 
als Quelle der Krankheit angeschuldigt wird, ergibt die bakteriologische
	        
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