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auf öffentliche Bade-, Wasch- und Bedürfnisanstalten Anwendung
finden soll. Es ist richtig, daß zu Zeiten einer Fleckfieber-, Pest-
oder Pockenepidemie öffentliche Badeanstalten wohl als Ver-
mittler der Krankheitsübertragung in Betracht kommen können,
jedoch nur dann, wenn die Angehörigen von Kranken, also an-
steckungsverdächtige Personen, die Badeanstalt aufsuchen. Die Beschrän-
kung der Benutzung öffentlicher Badeanstalten wird darin zu bestehen
haben, daß der Besuch der Badeanstalten von gesunden Personen aus
Behausungen, in welchen eine Erkrankung vorgekommen ist, zu unter-
sagen Ist.
Die zahlreichen epidemiologischen Erfahrungen, welche für die
Verbreitung von Cholera, Ruhr und Typhus durch Brunnen und öffent-
liche Wasseranlagen sprechen, haben aber dahin geführt, daß viele
Ärzte und auch Medizinalbeamte bei jeder Epidemie in erster Linie
oder gar ausschließlich an irgend eine Wasserquelle denken und alles
Notwendige getan zu haben glauben, wenn sie die Schließung des ver-
dächtigen Brunnens oder eine Beschränkung der verdächtigen Wasser-
leitung in Anregung gebracht haben. Dieses Vorgehen ist ein durchaus
einseitiges, weil es die zahlreichen Fälle außer acht läßt, in welchen
die Verbreitung von Cholera, Ruhr und Typhus durch Übertragung
von Person zu Person stattfindet. Es ist sehr bequem, sich ohne
weiteres auf das Wasser zu stürzen, und erspart Nachdenken, aber es
ıst der Nachteil damit verknüpft, daß andere wichtige Möglichkeiten
der Krankheitsübertragung aus dem Auge gelassen werden, und die
Absicht, die Epidemie zu verhüten oder zu bekämpfen, nicht erreicht
wird, Deswegen wird in den allgemeinen Ausführungsbestimmungen
Ziff. 3, IX, Abs. 2 ausdrücklich angeordnet, daß vor dem Erlaß einer
solchen Anordnung sorgfältig zu prüfen ist, ob die betreffende Anlage
ihrer Lage, Bauart und Einrichtung nach geeignet ist, zur Verbreitung
der Krankheit beizutragen. Es wird weiter vorgeschrieben, daß die
Eintscheidung hierüber nicht ohne vorherige Anhörung des beamteten
Arztes zu treffen ist, und es wird endlich angeordnet, daß in Zweifels-
fällen eine bakteriologische Untersuchung zu veranlassen ist.
Was letztere betrifft, so ist nicht zu leugnen, daß sie nicht in allen
Fällen eine einwandsfreie Antwort zu erteilen vermag. In zahlreichen
Fällen findet man in dem Wasser von Brunnen und Wasserleitungen
auch dann, wenn sie zweifellos die Ursache der Epidemie sind, bei
der bakteriologischen Untersuchung die Krankheitserreger nicht. Dies
liegt häufig daran, daß zwischen der Zeit, in welcher die Infektion
des Wassers stattfand, und derjenigen, in welcher die Feststellung der
Krankheit erfolgte, ein so langer Zwischenraum liegt, daß während
desselben die Krankheitskeime im Wasser zu Grunde gegangen sind.
In anderen Fällen, in denen eine Wasserversorgungsanlage unschuldig
als Quelle der Krankheit angeschuldigt wird, ergibt die bakteriologische