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zur wirksamen Bekämpfung der Krankheit für unerläßlich erklärt, angeordnet
werden. Den betroffenen Bewohnern ist anderweit geeignete Unterkunft
unentgeltlich zu bieten ($ 18 R.G.).
Diese einschneidende, nicht selten erhebliche Aufwendungen bedingende
Maßregel darf nur ausnahmsweise in Fällen dringender Not, z. B. dann
angeordnet werden, wenn die betreffenden Wohnungen und Gebäude so
schlecht gehalten oder so überfüllt sind, daß sie die Bildung eines Seuchen-
herdes veranlaßt haben oder befürchten lassen.
Die Bedeutung ungesunder Wohnungen für die Verbreitung über-
tragbarer Krankheiten wird noch vielfach unterschätzt. Wenn auch
die Annahme, der noch viele Schutzmaßregeln des Regulativs ihre
Entstehung verdanken, daß nämlich überfüllte Wohnungen und un-
reine Luft als solche zur Entstehung übertragbarer Krankheiten
Veranlassung geben können, nicht mehr als zutreffend geltend kann,
so liegt das doch auf der Hand, daß, je schmutziger, dunkler, enger
und überfüllter eine Wohnung ist, in je engere Berührung die Menschen
in derselben miteinander kommen, eine Übertragung von Krankheits-
keimen von Person zu Person um so leichter erfolgen kann. Enge,
dumpfe und überfüllte Herbergen, namentlich die bis vor wenigen
Jahrzehnten auch noch in Berlin üblichen Pennen, in denen man für
wenige Pfennige in überfüllten Räumen eine Schlafstelle finden konnte,
spielten von jeher eine gefürchtete Rolle bei der Übertragung von
Fleckfieber, Rückfallfieber und Pest. Daß in solchen engen Räumen
auch die Krankheitskeime von Cholera, Ruhr und Typhus weniger
leicht unschädlich zu machen sind als in hellen und luftigen, wird
durch zahlreiche epidemiologische Erfahrungen bewiesen. Mit Rück-
sicht hierauf gibt $ 18 R.G. den Behörden das Recht, die gänzliche
oder teilweise Räumung von Wohnungen und Gebäuden, in denen Er-
krankungen vorgekommen sind, anzuordnen, insoweit der beamtete
Arzt es zur wirksamen Bekämpfung der Krankheit für unerläßlich
erklärt. Diese Bestimmung wird durch das preußische Gesetz auf
Rückfallfieber, Ruhr und Typhus ausgedehnt. Die Durchführung dieser
Maßregel wird jedoch nur ausnahmsweise notwendig sein. Sie kann
in Frage kommen in den Vorstädten der großen Verkehrszentren, in
Gegenden, in welchen sich, wie z. B. im Scheunenviertel von Berlin,
in Whitechapel in London, Gesindel, Vagabunden und Verbrecher zu-
sammenfinden und in häufig zerfailenen, verlassenen oder aus Brettern
zusammengeschlagenen dürftigen Behausungen sich zusammendrängen.
Es kann aber auch in großen Arbeiterquartieren, in den Mietskasernen
der großen Städte und Industriebezirke gelegentlich notwendig werden,
und es ist z. B. in großer Ausdehnung notwendig geworden in Ham-
burg während der großen Choleraepidemie von 1892, wo man sich
schließlich nach Beendigung der Epidemie genötigt sah, ganze Stadt-
teile, die sogenannten Gängeviertel, niederzureißfen. Der höchst be-
klagenswerte Umstand, daß die Pest in Bombay sich in so unheim-