Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

— 15 — 
Es gibt Krankheiten, welche durch Vermittelung von Tieren über- 
tragen werden. Außer der Schlafkrankheit, welche durch gewisse 
Fliegen übertragen wird, aber für Deutschland keine Bedeutung hat, 
kommen in dieser Beziehung in erster Linie die Malaria und das 
Rückfallfieber in Betracht. Bei der Malaria spielt bekanntlich 
eine bestimmte Mückenart, die Anopheles, beim Rückfallfieber in Europa 
wahrscheinlich die Wanze und der Floh, in Afrika eine Zecke eine 
Rolle. Auch das Gelbfieber wird durch Insekten übertragen; 
inwieweit dies beim Fleckfieber der Fall ist, wissen wir noch 
nicht genau. 
Das Seuchengesetz hat es nicht für nötig befunden, die Bekämpfung 
dieser Insekten anzuordnen. Eine solche Mafregel schien dagegen un- 
erläßlich gegenüber der Pest, bei deren Übertragung, wie neuere For- 
schungen ergeben haben, hauptsächlich die Ratten, aber auch Mäuse 
eine gewisse Rolle spielen. Jedenfalls enthält $ 20 R.G. die Befuggis, 
zum Schutze gegen Pest Mafßregeln zur Vertilgung und Fernhaltung 
von Ratten, Mäusen und anderem Ungeziefer anzuordnen. 
In den alten Pestberichten finden sich die Ratten noch nicht er- 
wähnt. Wenn man sie auf einigen älteren Bildern, die sich auf 
Pestepidemien beziehen, abgebildet findet, so darf man daraus nicht 
schließen, daß unsere Altvorderen die Bedeutung der Ratten für die 
Verbreitung der Pest erkannt hätten; auf die Rolle, welche sie dabei 
spielen, ist man erst neuerdings aufmerksam geworden. Während der 
Pestepidemie von 1897 in Indien hat man z. B. beobachtet, daß die 
Pest in Orten, welche durch einen Fluß in zwei Teile getrennt waren, 
nach ihrem Auftreten an der einen Flußseite nach der anderen nicht 
hinübergelangte, was man darauf schob, daß die Ratten den Fluß 
nicht durchschwimmen konnten. 
Ähnliches beobachtete man in Alexandrien, Oporto und a. a. O. 
Unter den Eingeborenen in Indien und im Innern von Afrika ist es 
seit langer Zeit bekannt, daß dem Auftreten der Pest unter den Men- 
schen ein auffälliges Rattensterben vorherzugehen pflegt. In Häfen 
hat man wiederholt beobachtet, daß auf Schiffen, welche neben einem 
Schiffe mit Pestkranken lagen, plötzlich unter den Ratten Erkrankungen 
und Todesfälle an Pest vorkamen. Bei der Neigung der Ratten, allerlei 
Abfälle anzuknabbern, ist es leicht erklärlich, daß sie die in den Ab- 
sonderungen von Kranken befindlichen Pesterreger in sich aufnehmen 
können. Erkrankt und stirbt eine Ratte, so wird sie von ihren Ge- 
nossen sofort angefressen und verzehrt, und auf diese Weise pflegt 
sich die Krankheit mit unglaublicher Schnelligkeit unter den Ratten- 
beständen eines Schiffes zu verbreiten. Der Umstand, daß es in Bombay 
und verschiedenen anderen Orten Indiens, in denen die Pest seit dem 
Jahre 1897 herrscht, trotz aller Bemühungen nicht gelingt, der Seuche 
Herr zu werden, hängt zweifellos damit zusammen, daß sich die Pest 
11*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.