I. Inhalt der Anzeige.
1. Die anzeigepfiichtigen Krankheiten.
l. Die anzeigepflichtigen Krankheiten des Reichsgesetzes.
$ 1 Abs. 1 RG. Jede Erkrankung und jeder Todesfall an Aussatz
(Lepra), Cholera (asiatischer), Fleckfieber (Flecktyphus), Gelb-
fieber, Pest (orientalischer Beulenpest), Pocken (Blattern), so-
wie jeder Fall, welcher den Verdacht einer dieser Krankheiten
erweckt, ist der für den Aufenthaltsort des Erkrankten oder
den Sterbeort zuständigen Polizeibehörde unverzüglich anzu-
zeigen.
Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeinge-
fährlicher Krankheiten, welcher am 29. Jan. 1894 dem Reichstage vor-
gelegt wurde, beschränkte sich, wie es in der Begründung heißt, „auf
die dringlichste Aufgabe, nämlich auf Abwehrmaßregeln gegenüber
solchen Krankheiten, welche infolge ihrer leichten Übertragbarkeit und
ihres raschen Verlaufes erfahrungsmäßig die Bevölkerung in weiten
Kreisen heimsuchen und den Verkehr am empfindlichsten treffen“,
nämlich Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Pestund Pocken.
Der Entwurf kam zunächst nicht zur Annahme. Als er zum dritten
Male am 15. Jan. 1900 dem Reichstage vorgelegt wurde, war den
vorgenannten fünf Krankheiten noch der Aussatz hinzugefügt worden.
Die Anzeigepflicht sollte sich nicht nur auf Erkrankungen und Todes-
fälle an diesen Krankheiten, sondern auch auf jeden Fall erstrecken,
welcher den Verdacht einer dieser Krankheiten erweckt.
Es bedarf zunächst der Erörterung, aus welchen Gründen das
Reichsgesetz gerade die genannten sechs Krankheiten in den Bereich.
seiner Regelung gezogen hat.
In der Begründung werden Cholera und Pest als die wichtigsten
dieser Krankheiten bezeichnet.
1. Über die Cholera heißt es in der Begründung: „Ein ungefähres.
Bild, welche Verluste an Menschenleben die Cholera herbeizuführen
imstande ist, läßt sich daraus gewinnen, daß in Rußland im Jahre
1892 von beiläufig 550000 an Cholera erkrankten Personen ungefähr
260000 verstorben, und daß im nämlichen Jahre in Hamburg unter
den 583865 Einwohnern 16058 Erkrankungen und 8189 Todesfälle
an Cholera vorgekommen sind. Die Störungen im Handel und Verkehr,
die Verluste, welche damals das allgemeine Erwerbsleben erlitten hat,
die große Beunruhigung, welche sich der gesamten Bevölkerung be-
mächtigt hat, sind noch in lebhafter Erinnerung. Der gesamte wirt-