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räumen sie sich zur Untersuchung und Behandlung bei ihnen einzu-
finden haben. Personen, welche sich im Besitze eines solchen Aus-
weises befinden, werden von der Polizei nicht weiter zu behelligen
sein. Nur wenn sie einen solchen Nachweis nicht besitzen, oder wenn
sie sich der Behandlung entziehen, oder wenn sie trotz ihrer Er-
krankung weiter der gewerbsmäßigen Unzucht nachgehen, wird die
Polizei gegen sie vorzugehen haben. Letzteres ist ganz besonders
wichtig, weil nur dadurch die Ausbreitung der übertragbaren Ge-
schlechtskrankheiten verhindert werden kann. Personen, welche ge-
wissenlos genug sind, trotz ihrer Erkrankung weiter der gewerbs-
mäßigen Unzucht nachzugehen, verdienen keine Nachsicht und sind
daher unverzüglich in ein geeignetes Krankenhaus überzuführen und
aus demselben nicht zu entlassen, bevor sie geheilt sind.
Bekanntlich wird über die Reglementierung der Prostitution in
weiten Kreisen geklagt. Es wird einerseits ausgeführt, daß die Frei-
heit und die Menschenwürde der betreffenden Personen dadurch auf
das äußerste beeinträchtigt wird, und es wird andererseits hervorge-
hoben, daß die Reglementierung, trotz ihrer Härten, die Ausbreitung
der übertragbaren Geschlechtskrankheiten keineswegs verhindert.
Beides ist zuzugeben, wenigstens bis zu einem gewissen Grade Man
wird abzuwarten haben, inwieweit sich die Bestimmungen des Landes-
seuchengesetzes, welche in dieser Beziehung einen erheblichen Wandel
herbeigeführt haben, bewähren werden.
Die Bestimmungen des braunschweigischen Gesetzes weichen von
denjenigen des preußischen Gesetzes insofern ab, als der Vorbehalt,
daß die zwangsweise Anhaltung zur ärztlichen Behandlung nur bei
Personen zulässig ist, welche gewerbsmäfßig Unzucht treiben, fehlt,
und ausdrücklich ausgesprochen ist, daß die zwangsweise Behandlung
auch in einem öffentlichen Krankenhause stattfinden kann. Letzteres
ist zwar nicht in dem preußischen Gesetz selbst, aber in den Aus-
führungsbestimmungen zu demselben zum Ausdruck gebracht worden.