— 233 0 —
Notwendigkeit hierzu voraussichtlich nur in seltenen Fällen sich er-
geben werde, daß aber eine dahin zielende Ermächtigung gleichwohl
nicht ganz zu entbehren sei, da in Ausnahmefällen die wirksame Be-
kämpfung einer Seuche wohl dazu zwingen könne, die Beaufsichtigung
und unter besonderen Umständen selbst die Leitung der für benach-
barte Bezirke verschiedener Bundesstaaten nach Maßgabe des Gesetzes
zu treffenden Anordnungen in eine Hand zu legen.
In der Tat hat bis jetzt der Reichskanzler von dieser Befugnis
nur bei einer Krankheit, nämlich der asiatischen Cholera Gebrauch
gemacht. Zuerst in den Jahren 1892—94 und wieder im Jahre 1905
sind seitens des Reichskanzlers für die Gebiete derjenigen Flußläufe,
welche mehreren Bundesstaaten gemeinsam sind, besondere Reichs-
kommissare für die Cholerabekämpfung bestellt ‘worden, so je einer
für die Stromgebiete der Elbe und des Rheins; in den Gebieten der-
jenigen Ströme dagegen, welche nur einem Staate angehören, also
der Weichsel und der Oder in Preußen, ist von der Bestellung eines
Reichskommissars Abstand genommen worden. Dies ist auch nur zu
begrüßen, weil dadurch die Empfindlichkeit der Landesbehörden ge-
schont wird, und andererseits in Preußen die volle Gewähr dafür besteht,
daß die erforderlichen Mafregeln in vollem Umfange getroffen werden.
In jüngster Zeit ist auch noch bei einer anderen Krankheit ein
Reichskommissar bestellt worden, nämlich für das Gebiet der gemein-
samen Typhusbekämpfung im Südwesten des Reiches, welche in den
preußischen Regierungsbezirken Trier, der bayerischen Pfalz, der olden-
burgischen Enklave Birkenfeld und den elsaß-lothringischen Bezirken
Unterelsaß und Lothringen stattfindet.
Der Reichskommissar hat die Seuchenausbrüche in dem ihm an-
gewiesenen Gebiet zu verfolgen, die Nachrichten zu sammeln und an
das Reichsamt des Innern mitzuteilen und durch stetes Benehmen mit
den Landesbehörden für die Einheitlichkeit der Seuchenbekämpfung
Sorge zu tragen. Bisher ist mit den Funktionen eines Reichskommissars
in der Regel ein höherer Verwaltungsbeamter betraut und diesem ein
Arzt als sachverständiger Beirat beigegeben worden.
VIII. Benachrichtigung des Kaiserlichen Gesund-
heitsamtes von Ausbrüchen gemeingefährlicher
Krankheiten.
S 42 R.G. Ist in einer Ortschaft der Ausbruch einer gemein-
gefährlichen Krankheit festgestellt, so ist das Kaiserliche Ge-
sundheitsamt hiervon sofort auf kürzestem Wege zu benach-
richtigen. Der Bundesrat ist ermächtigt zu bestimmen, in-