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ausgedehnt worden, so findet die Bestimmung zu $ 4 entsprechende Anwendung.
Wegen der Art der Ermittelung und Feststellung der ersten Fälle wird zugleich
mit der Einführung der Anzeigepflicht für diese Krankheiten das Erforderliche
angeordnet werden.
Zu 88.
1. Die in dem $ 8 bei den einzelnen Krankheiten aufgeführten Absperrungs-
und Aufsichtsmaßregeln bezeichnen vorbehaltlich der Bestimmung des $ 9 das
Höchstmaß dessen, was bei den betreffenden Krankheiten im äußersten Fall poli-
zeilich angeordnet werden darf.
Die Polizeibehörden sollen in der Regel nicht alle diese Maßregeln in jedem
Falle zur Anwendung bringen, sondern sich auf diejenigen beschränken, welche
nach Lage des Falles ausreichend erscheinen, um eine Weiterverbreitung der
Krankheit zu verhüten. Es ist von Wichtigkeit, daß die Arzte diese Gesichts-
unkte bereits bei den Vorschlägen berücksichtigen, welche sie den Polizeibe-
örden machen. Soweit bei Milzbrand und Rotz veterinärpolizeiliche Interessen
berührt werden, hat der beamtete Arzt sich mit dem beamteten Tierarzt ins Be-
nehmen zu setzen.
Bei der Auswahl der Maßregeln ist einerseits nichts zu unterlassen, was zur
Verhütung der Ausbreitung der Krankheit notwendig ist, andererseits aber dafür
Sorge zu tragen, daß nicht durch Anwendung einer nach Lage des Falles zu weit
gehenden Maßregel unnötig in die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
der Bevölkerung eingegrifien wird, oder vermeidbare Kosten entstehen.
2. Die getroffenen Anordnungen sind wieder aufzuheben:
bezüglich der kranken Personen
nach erfolgter Genesung, nach Überführung in das Krankenhaus oder nach
dem Ableben des Kranken, in allen Fällen jedoch nur, nachdem die vor-
schriftsmäßige Schlußdesinfektion stattgefunden hat;
bezüglich der krankheitsverdächtigen Personen bei Kindbettfieber, Rückfallfieber,
ypaus und Rotz, wenn sich der Verdacht als begründet nicht herausge-
stellt hat; bei Typhus ist dies erst dann anzunehmen, wenn eine mindestens
zweimalige bakteriologische Untersuchung negativ ausgefallen ist.
3. Im einzelnen gilt hinsichtlich der zu ergreifenden Maßregeln folgendes:
I. Einer Beobachtung ($ 12 des Reichsgesetzes) können unterworfen
werden:
l. kranke und krankheitsverdächtige Personen bei Körnerkrankheit, Rotz,
Rückfallfieber und Typhus;
2. kranke, krankheitsverdächtige und ansteckungsverdächtige Personen, so-
fern sie gewerbsmäßig Unzucht treiben, bei Syphilis, Tripper und Schanker ;
3. ansteckungsverdächtige Personen bei Tollwut, d. h. solche Personen,
yerche von einem tollen oder tollwutverdächtigen Tiere gebissen worden
sind.
Krank im Sinne des Gesetzes sind solche Personen, bei welchen eine der
in dem $ 1 aufgeführten Krankheiten festgestellt ist;
Krankheitsverdächtig sind solche Personen, welche unter Erscheinungen
erkrankt sind, die den Ausbruch einer der in dem $ 1 aufgeführten Krankheiten
befürchten lassen ;
Ansteckungsverdächtig sind solche Personen, bei welchen zwar Krank-
heitserscheinungen noch nicht vorliegen, bei denen aber infolge ihrer nahen Be-
rührung mit Kranken die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß sie den Ansteckungs-
stoff in sich aufgenommen haben.
Die Beobachtung hat in schonender Form und so zu geschehen, daß Be-
lästigungen tunlichst vermieden werden. Sie wird, abgesehen von den erforder-
lichen bakteriologischen Untersuchungen, in der Regel darauf beschränkt werden
können, daß durch einen Arzt oder eine sonst geeignete Person in angemessenen
Zwischenräumen Erkundigungen über den Gesundheitszustand der betreffenden
Person eingezogen werden. Die Dauer der zulässigen Beobachtung ansteckungs-
verdächtiger Personen richtet sich nach der Zeit, welche erfahrungsgemäß zwischen