Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

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Vertriebes von Gegenständen, welche, geeignet sind, die Krankheit zu verbreiten, 
eine gesundheitspolizeiliche Überwachung und die zur Verhütung der 
Verbreitung der Krankheit erforderlichen Maßregeln angeordnet, auch können 
Gegenstände der bezeichneten Art vorübergehend vom Gewerbebetriebe im Umher- 
ziehen ausgeschlossen werden ($ 15 Ziff. 1 und 2 des Reichsgesetzes). 
Von den hierhergehörigen Betrieben kommen namentlich in Betracht: Vor- 
kosthandlungen, Molkereien, Milch- und Speisewirtschaften, Eß- und Delikateß- 
warenhandlungen, Bäckereien, Konditoreien sowie Lumpenhandlungen bei Diph- 
therie und Scharlach, die drei erstgenannten Betriebe auch bei Typhus, Abdeckereien, 
Bürsten- und Pinselfabriken, Gerbereien, Lumpenhandlungen, Papierfabriken, Roß- 
haarspinnereien, Schlächtereien und Wollsortierereien bei Milzbrand. 
Mit dem Zeitpunkte, in welchem der Kranke in ein Krankenhaus übergeführt 
und die Wohnung wirksam desinfiziert ist, sind die Beschränkungen unverzüglich 
wieder aufzuheben. 
VII. Für Ortschaften und Bezirke, in welchen Rückfallfieber, Ruhr oder 
Typhus aufgetreten ist, kann die Abhaltung von Märkten, Messen und 
anderen Veranstaltungen, welche eine Ansammlung größerer Menschen- 
mengen mit sich bringen, verboten oder beschränkt werden, sobald die Krankheit 
einen epidemischen Charakter angenommen hat. 
. Vor Erlaß derartiger Anordnungen ist sorgfältig zu prüfen, ob die Größe 
der abzuwendenden Gefahr mit den damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteilen 
für die Bevölkerung in einem entsprechenden Verhältnisse steht. 
VIII. Jugendliche Personen aus Behausungen, in welchen eine Er- 
krankung an Diphtherie, Rückfallfieber, Ruhr, Scharlach oder Typhus vorge- 
kommen ist, müssen, soweit und solange eine Weiterverbreitung der Krankheit 
aus diesen Behausungen durch sie zu befürchten ist, vom Schul- und Unter- 
richtsbesuche ferngehalten werden ($ 16 des Reichsgesetzes). Dies hat 
tunlichst auch bei Erkrankungen an übertragbarer Genickstarre zu geschehen. 
Auch ist darauf hinzuwirken, daß der Verkehr dieser Personen mit anderen 
Kindern, insbesondere auf Öffentlichen Straßen und Plätzen, möglichst einge- 
schränkt wird. 
Von jeder Fernhaltung einer Person von dem Schul- und Unterrichtsbesuche 
hat die Polizeibehörde dem Vorsteher der Schule (Direktor, Rektor, Hauptlehrer, 
ersten Lehrer, Vorsteherin usw.) unverzüglich Mitteilung zu machen. 
Diese Bestimmungen finden auch auf Erziehungsanstalten, Kinderbewahr- 
anstalten, Spielschulen, Warteschulen, Kindergärten, Krippen u. dgl. Anwendung. 
Wenn eine im Schulhause wohnhafte Person an einer der vorbezeichneten 
Krankheiten erkrankt, so wird die Schulbehörde die Schule unverzüglich zu 
schließen haben, falls der Kranke nicht wirksam abgesondert werden kann. 
Kommt eine solche Krankheit in Pensionaten, Konvikten, Alumnaten, Inter- 
naten u. dgl. zum Ausbruch, so sind die Erkrankten mit besonderer Sorgfalt 
abzusondern und erforderlichenfalls unverzüglich in ein geeignetes Krankenhaus 
oder in einen anderen geeigneten Unterkunftsraum überzuführen. Bei Diphtherie, 
übertragbarer Genickstarre und Scharlach ist darauf hinzuwirken, daß diejenigen 
Zöglinge, welche mit Erkrankten in Berührung gewesen sind, täglich mehrmals 
Rachen und Nase mit einem desinfizierenden Müundwasser ausspülen. Auch ist 
denjenigen Zöglingen, welche mit Diphtheriekranken in Berührung gekommen 
sind, dringend anzuraten, sich durch Einspritzung von Diphtherieheilserum gegen 
die Krankheit immunisieren zu lassen. 
Während der Dauer und unmittelbar nach dem Erlöschen der Krankheit 
empfiehlt es sich, daß der Anstaltsvorstand nur solche Zöglinge aus der Anstalt 
vorübergehend oder dauernd entläßt, welche nach ärztlichem Gutachten gesund, 
und in deren Absonderungen die Erreger der Krankheit bei der bakteriologischen 
Untersuchung nicht nachgewiesen sind. 
IX. In Ortschaften, welche von Ruhr oder Typhus befallen oder bedroht 
sind, sowie in deren Umgegend, kann die Benutzung von Brunnen, Teichen, 
Seen, Wasserläufen, Wasserleitungen, sowie der dem Öffentlichen Ge- 
brauche dienenden Bade-,Schwimımn-, Wasch- und Bedürfnisanstalten 
verboten oder beschränkt werden ($ 17 des Reichsgesetzes). 
Kirchner, Seuchenbekämpfung. 19
	        
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