Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

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sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erkannt worden. Die Trichinose, 
welche durch die Einwanderung der Trichine in den menschlichen Körper 
entsteht, kann eigentlich nicht zu den Infektionskrankheiten gerechnet 
werden, weil sie nicht von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Die 
Trichinen, welche vom Menschen mit dem Schweinefleisch verzehrt 
werden, wachsen im Darme zu geschlechtsreifen Trichinen aus, be- 
gatten sich und bringen lebende Junge zur Welt, welche in die 
Muskeln ihres Wirtes einwandern und die Krankheit erzeugen. Man 
hat gegen die Aufnahme der Trichinose unter die anzeigepflichtigen 
Krankheiten Bedenken geäußert, indem man unter anderem auch dar- 
auf hinwies, daß das einzige, aber auch ausreichende Mittel gegen die 
Entstehung der Trichinose die gewissenhafte Ausführung der Fleisch- 
beschau sei. Trotz dieser Bedenken entschied man sich für die Auf- 
nahme der Krankheit in das Gesetz ın der Erwägung, daß die Anzeige- 
pflicht für Trichinose eine wirksame Handhabe zur Kontrolle dafür 
abgibt, ob die Trichinenschau auch wirklich zuverlässig gehandhabt wird. 
Außerhalb Preußens besteht in Deutschland für Trichinose eine 
unbedingte Anzeigeflicht in den Staaten Bayern, Oldenburg, 
Braunschweig, Sachsen-Altenburg, Anhalt und den drei 
Hansestädten, eine beschränkte in Sachsen-Weimar und 
Waldeck, während sie in den übrigen Staaten fehlt. 
c) Die zwar im Regulativ von 1835, nicht aber im Gesetz vom 28. August 1%5 
als anzeigepflichtig aufgeführten übertragbaren Krankheiten. 
Das Regulativ von 1835 führt, abweichend von dem neuen Seuchen- 
gesetze vom 28. Aug. 1905, nachstehende Krankheiten: Krätze, 
Masern, Röteln, Syphilis und Weichselzopf als anzeige- 
pflichtig an. 
1. Die Krätze ist eine übertragbare Krankheit, sie wird erzeugt 
durch die Einwanderung der Krätzmilbe in die Haut, die bei nahen 
Berührungen von einem Menschen auf den anderen überwandert. Ge- 
wisse sanitätspolizeiliche Maßregeln zur Verhütung der Krätze sind 
daher unentbehrlich. Die Krankheit hat aber nicht die Bedeutung, 
welche man ihr noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts beimaß; 
damals glaubte man, sie führe zu schweren Folgezuständen, welche 
man als psorische Dyskrasie bezeichnete. Die Entdeckung der 
Krätzmilbe und der Nachweis, daß diese schon durch Einreibungen 
mit einfachen Mitteln zu beseitigen ist, entkleidete die Krätze ihres 
früheren geheimnisvollen Charakters und ließ die Anzeigepflicht, die 
Absonderung und die Desinfektion als überflüssig erscheinen. In 
Schulen, Pensionaten, Kasernen, Gefängnissen u. s. w., also überall, 
wo eine größere Anzahl von Menschen in engen Räumen zusammen- 
gedrängt ist, muß man auch künftig der Krätze Aufmerksamkeit an-
	        
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