Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

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gedeihen lassen. Es ist aber nicht erforderlich, den für die Bekämpfung 
der Infektionskrankheiten eingerichteten Apparat gegen diese verhältnis- 
mäßig harmlose Krankheit in Bewegung zu setzen. 
Ebenso wie in Preußen ist die Krätze auch in der überwiegenden Mehr- 
zahl der übrigen deutschen Bundesstaaten nicht anzeigepflichtig, eine be- 
schränkte Anzeigepflicht besteht nur in Sachsen- Weimar, Sachsen- 
Meiningen, Schwarzburg-Rudolstadt und Reuß .. L. 
2. Schwerwiegenden Bedenken unterliegt bei vielen Sachver- 
ständigen die Aufhebung der Anzeigepflicht bei den Masern. Wenn 
sie auch in der Mehrzahl der Fälle verhältnismäßig leicht auftreten, 
so ist doch die Zahl der Todesfälle, welche sie verschulden, leider 
recht groß und beläuft sich in Preußen durchschnittlich auf etwa 9000 
im Jahre, Fälle, die meist Kinder in jugendlichem Alter betreffen; 
häufig genug kommt es zu Epidemien, welche ganze Ortschaften und 
Gegenden heimsuchen. Die Gründe, welche für Aufhebung der An- 
zeigepflicht sprachen, waren folgende: Man kennt den Erreger der 
Masern nicht und weiß nicht, zu welcher Zeit ihre Übertragung auf 
Gesunde stattfindet. Nach den einen erfolgt sie namentlich zur Zeit 
der Abschuppung, nach anderen bereits zur Zeit der Inkubation. 
Zweifellos erfolgt sie überaus leicht, aber auf Wegen, welche uns 
noch unbekannt sind. Bei der Auswahl der sanitätspolizeilichen Maß- 
regeln tappt man daher im Dunkeln. Andererseits ist die Beobachtung 
der Anzeigepflicht bei der großen Verbreitung der Krankheit mit er- 
heblichen Belästigungen für die Bevölkerung verbunden. Es kommt hinzu, 
daß im Regulativ von 1835 die Anzeigepfllicht für Masern eine be- 
schränkte war und nur bestand, wenn Ärzten besonders bösartige und 
besonders zahlreiche Fälle der Krankheit vorkamen; mit einer solchen 
Anzeigepflicht aber ist nichts zu machen. Es erschien daher zweck- 
mäßiger, sie ganz fallen zu lassen, dafür aber die Möglichkeit zu 
schaffen, sie für außergewöhnliche Fälle durch besondere Vorschrift 
in vollem Umfang einzuführen, worauf bei Besprechung des $ 5 des 
Gesetzes zurückzukommen sein wird. Auf Grund dieses Paragraphen 
ist die Anzeigepflicht bereits im Frühjahr 1907 in mehreren preußischen 
Kreisen — Pillkallen, Angerburg, Koschmin — durch Staats- 
ministerialverordnung vorübergehend eingeführt worden. 
Auch außerhalb Preußens besteht in der Mehrzahl der deutschen 
Bundesstaaten nur eine beschränkte Anzeigepflicht, nämlich inBayern, 
Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-Strelitz, 
Sachsen-Weimar,Sachsen-Meiningen, Sachsen-ÖOoburg- 
Gotha, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck und Lippe; 
eine unbedingtenurinSchwarzburg-Sondershausen,Reußä.Ll,, 
Reußj.L. und Lübeck, während in den übrigen Staaten die Anzeige- 
pflicht ganz fehlt.
	        
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