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Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht die Tatsache, daß
für Schanker und Tripper in keinem einzigen deutschen Bundesstaat die
Anzeigepflicht besteht, für Syphilis aber nur inSachsen-Meiningen,
und zwar auch hier nur in beschränktem Umfange.
5. Was endlich den sogenannten Weichselzopf betrifft, von
welchem im Regulativ von 1835 nicht weniger als 6 Paragraphen
handeln, so galt er früher als übertragbare Krankheit, während wir
heute wissen, daß es sich dabei nur um eine durch Mangel an Sauber-
keit herbeigeführte Verfilzung der Haare handelt, bei der vielfach
Aberglaube eine Rolle spielt. Wie amtliche Erhebungen ergeben haben,
kommt der Weichselzopf auch jetzt noch im Osten der preußischen
Monarchie, namentlich da, wo Polen ansässig sind, in ziemlicher Aus-
dehnung vor; z. B. sind in verschiedenen Kreisen des Regierungs-
bezirkes Marienwerder noch Tausende von Personen damit behaftet.
Aber sie sind körperlich durchaus gesund, und ihre Berührung mit
anderen Menschen ist für diese ungefährlich. Ansteckend kann
höchstens ihr Beispiel wirken. Zu bekämpfen ist der Weichselzopf
durch hygienische Mafßregeln und Belehrung, nicht aber durch die
Seuchengesetzgebung. Außerhalb Preußens hat in Deutschland nie-
mals Anzeigepflicht für den Weichselzopf bestanden und besteht sie
auch jetzt nicht.
d) Nicht anzeigepflichtige übertragbare Krankheiten.
Schließlich ist noch mit einigen Worten einiger Krankheiten zu
gedenken, für welche das Gesetz von 1905 keine Anzeigepflicht ent-
hält, obwohl sie zweifellos zu den übertragbaren gehören, vor allem
der Influenza, des Keuchhustens, der Malaria, des Mumps
und der Rose.
1. Die Influenza (Grippe), eine überaus übertragbare, häufig in
Epi-, ja in Pandemien auftretende und auch in Deutschland schon
seit dem 16. Jahrhundert häufig beobachtete Krankheit, verursachte
gerade zu der Zeit, in welcher das Regulativ von 1835 ausgearbeitet
wurde, einige schwere Epidemien und erschien aufs neue in der Zeit
von 1889 bis 1897 in großer Verbreitung. Wenn man trotzdem und
trotz der damals erfolgten Entdeckung und Züchtung des Influenza-
bazillus davon Abstand genommen hat, die Influenza unter die
anzeigepflichtigen Krankheiten aufzunehmen, so hat dies seinen Grund
in der großen Verschiedenheit in der Art und Schwere ihres Auftretens
und in der Tatsache, daß die Art und Weise ihrer Übertragung noch
zu wenig aufgeklärt ist. Die Krankheit folgt dem Verkehr, ihre
Übertragung erfolgt von Person zu Person durch Tröpfcheninfektion —
feine Tröpfchen, welche der Erkrankte beim Sprechen, Husten, Räuspern