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Hoffnung vorhanden, daß dies noch in stärkerem Maße der Fall sein
wird, wenn das Verfahren noch mehr in Fleisch und Blut der Heb-
ammen übergegangen sein wird. Von dem Antrage Augenentzündung
wird daher abzusehen sein.“
2. Anzeigepflicht für verdächtige Erkrankungen.
Die Einführung der Anzeigepflicht ist die Grundlage für eine
erfolgreiche Seuchenbekämpfung. Dieser Erfolg wird aber nicht selten
ausbleiben, wenn die Anzeigepfllicht auf die ausgesprochenen Er-
krankungen, deren Diagnose zweifellos feststeht, beschränkt bleibt,
Bei zahlreichen übertragbaren Krankheiten sind anfangs die Krankheits-
erscheinungen so wenig ausgesprochen, daß selbst erfahrene Ärzte
eine sichere Diagnose erst nach einer mehr oder weniger langen Zeit
der Beobachtung zu stellen sich getrauen. Diese Zeit genügt aber
häufig, um weitere Übertragungen zu ermöglichen, während es im
Interesse der Seuchenbekämpfung liegt, daß die Erkrankungen so früh
als nur irgend möglich zur Kenntnis der Behörden gelangen. Aus
diesem Grunde schreibt $ 1 R.G. vor, daß auch jeder Fall, welcher
den Verdacht einer der vorher genannten Krankheiten (Aussatz, Cholera,
Fleckfieber, Gelbfieber, Pest und Pocken) erweckt, anzuzeigen ist. In
der Begründung dazu lautet es folgendermaßen:
„Die große Gefahr, welche die im $ 1 genannten Krankheiten
durch die Schnelligkeit ihrer Weiterverbreitung mit sich bringen, macht
es zur Pflicht, vor allem zu verhindern, daß die ersten Fälle unbemerkt
bleiben und daß die Anordnung der erforderlichen Schutzmafßregeln
eine unter Umständen folgenschwere Verzögerung erleidet. Der Gesetz-
entwurf sieht deshalb eine Anzeigepflicht nicht nur für die sicher er-
kannten Erkrankungsfälle, sondern auch für alle diejenigen Fälle vor,
in welchen nur der Verdacht einer derartigen Krankheit begründet
ist. Diese Vorschrift ist um so notwendiger, als die meisten Laien
und selbst viele Arzte nicht Gelegenheit haben werden, Fälle von
asiatischer Cholera, Fleckfieber oder Pocken, geschweige denn von
Gelbfieber oder Pest zu beobachten, so daß Zweifel über die Natur
der Krankheit, namentlich bei den ersten Fällen häufig zu erwarten sind.
„Es wird sich empfehlen, bei Erlaß der Ausführungsvorschriften
zu dem Gesetz eine Beschreibung derjenigen Erscheinungen, welche
Vorläufer oder bezeichnende Merkmale der in Rede stehenden Krank-
heiten sind, bekannt zu geben und durch Veröffentlichung gemein-
verständlicher Belehrungen darauf hinzuwirken, daß auch die Laien
in den Stand gesetzt werden, die anzeigepflichtigen Krankheitsfälle zu
erkennen. Die alsbaldige Benachrichtigung der Behörde, auch beı
zweifelhaften Erkrankungen, und die darauf folgende Begutachtung
durch den beamteten Arzt wird die Gefahr, daß beim ersten Auftreten
der Krankheit einzelne Fälle unerkannt bleiben, erheblich verringern.“