Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

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für den Fall des Wohnungswechsels einführt. Dieselbe Vorschrift ent- 
hält $S1 Abs. 2 des braunschweigischen Gesetzes vom 26. Juni 1904. 
Eine Anzeigepflicht bei Erkrankungen an Lungen- und Kehl- 
kopftuberkulose im Falle des Wohnungswechsels besteht in 
Sachsen, Baden und Braunschweig. 
Ohne die Anzeigepflicht beim Wohnungswechsel ist nach dem 
übereinstimmenden Urteil aller Tuberkuloseforscher eine wirksame Be- 
kämpfung der Tuberkulose, namentlich der Lungen- und Kehlkopf- 
tuberkulose, nicht möglich. Viele Kranke mit Lungentuberkulose, und 
zwar nicht nur in den ungebildeten Kreisen, haben die leidige Gewohn- 
heit, auf den Fußboden und selbst gegen die Wand zu spucken. Die 
in dem Auswurf reichlich enthaltenen Tuberkelbazillen bleiben bei 
oberflächlicher Reinigung von Fußboden und Wand teilweise dort 
haften, trocknen an und gehen in den Staub der Wohnung über. Da 
sie in verstäubtem Zustande Monate und selbst Jahre lang lebensfähig 
bleiben, so kann die Einatmung eines derartigen Staubes bei Personen, 
die eine solche infizierte Wohnung beziehen, Tuberkulose erzeugen. 
Würde man in Großstädten und Industriebezirken diesen Dingen ge- 
nauer nachforschen, so würde man sicher viel öfter, als man jetzt ahnt, 
die Wohnung als Quelle der Tuberkulose auffinden. 
4. Besondere Anzeigepflicht für Todesfälle. 
A.A. zuS1 Abs. 1LP.G. Der Todesfall ist auch dann anzuzeigen, wenn die Er- 
krankung des Verstorbenen bereits angezeigt war. 
Das Reichsseuchengesetz hat nicht nur für Erkrankungen, sondern 
auch für Todesfälle die Anzeigepflicht eingeführt. Dies wird in der 
Regel so aufgefaßt, daß in jedem Falle nur eine Anzeige zu erstatten 
ist, d.h. daß in den Fällen, in denen die Erkrankung angezeigt wird, 
diese Anzeige genügt, und daß die Anzeige des Todesfalles nur bei 
solchen Fällen erforderlich ist, welche während der Erkrankung nicht 
zur Anzeige gelangt sind. Allein diese Ansicht ist unzutreffend, wie 
aus der nachstehenden Begründung deutlich hervorgeht: 
„Da die Diagnose eines Krankheitsfalles oft erst durch den töd- 
lichen Ausgang bestätigt wird, ist es ferner erforderlich, daß nicht 
nur von jeder Erkrankung, sondern auch von jedem Todesfall Anzeige 
erstattet werde. Die Todesanzeige bietet zugleich einen Ersatz für 
die etwa unterbliebene Erkrankungsanzeige. Dies ist um so wichtiger, 
als nach den bisherigen Erfahrungen Erkrankungsanzeigen, sei es aus 
Unachtsamkeit, sei es wegen Unkenntnis der Natur der Krankheit, 
voraussichtlich vielfach unterbleiben werden. Endlich ist es für die 
wissenschaftliche Beurteilung und praktische Behandlung von Wich- 
tigkeit, das Verhältnis der Sterbefälle zu der Zahl der Erkrankungen 
kennen zu lernen.“ 
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