Full text: Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens.

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treffen, daß sie selbst von dem epidemischen Ausbruch einer der in 
dem $ 1 nicht aufgeführten übertragbaren Krankheiten tunlichst bald 
Kenntnis erhalten. Die Regierungspräsidenten werden dieser Ver- 
pflichtung nur nachkommen können, wenn sie die beamteten Ärzte 
ihres Bezirkes dazu anhalten, sich über den Gang aller übertragbaren 
Krankheiten in ihren Kreisen auf das sorgfältigste unterrichtet zu 
halten und von jedem auffälligen Auftreten einer Krankheit dem 
Regierungspräsidenten unverzüglich Meldung zu erstatten. Hieraus 
erwächst für die Kreisärzte die Verpflichtung, auch diejenigen übertrag- 
baren Krankheiten, welche in $ 1 des Gesetzes nicht genannt sind, sorg- 
fältig im Auge zu behalten und sich über ihren Gang durch Erkundigungen 
bei den praktischen Ärzten, Hebammen, Ortsvorstehern, Gendarmen, 
Desinfektoren usw. ihres Kreises dauernd unterrichtet zu halten. 
Weiter haben die Regierungspräsidenten nach erlangter Kenntnis 
über den Umfang und den Oharakter der Epidemie an den Minister 
der Medizinalangelegenheiten unverzüglich zu berichten und sich, so- 
fern die Verhältnisse es angezeigt erscheinen lassen, zugleich gut- 
achtlich darüber zu äußern, ob und inwieweit es sich empfiehlt, von 
den in den S$ 5, 7 und 11 P.G. enthaltenen Ermächtigungen 
des Staatsministeriums Gebrauch zu machen. Bis jetzt ist von der 
Ermächtigung des S 5 nur in einigen Regierungsbezirken und nur 
bezüglich einer Krankheit (Masern) Gebrauch gemacht worden, 
trotzdem gerade diese Krankheit, wie sich gerade infolge dieser Be- 
richte herausgestellt hat, in verschiedenen Teilen des Landes zahl- 
reiche, zum Teil sehr schwere Epidemien erzeugt hat. Es ist anzu- 
nehmen, daß die Verfolgung der zur Zeit nicht anzeigepflichtigen über- 
tragbaren Krankheiten mit der Zeit ein Urteil darüber ermöglichen 
wird, ob und inwieweit eine Vervollständigung der in $ 1 des Ge- 
setzes enthaltenen Liste erforderlich ist. Zu erwägen bleibt ferner, 
ob nicht, wie dies bereits in den Bemerkungen zu S 1 gesagt worden 
ist, für Brunnen- und Badeorte, in welchen erfahrungsgemäß regel- 
mäßig zahlreiche Kinder verkehren, in jedem Frühjahr die Anzeige- 
pflicht für Keuchhusten, Masern und Röteln einzuführen und nach 
Beendigung der Saison wieder aufzuheben sein wird. 
Bei der Beratung des Gesetzes war von verschiedenen Seiten vor- 
geschlagen worden, es möchte die Ermächtigung des $5 P.G. zur Ein- 
führung der Anzeigepflicht nicht dem Staatsministerium, sondern den 
Regierungspräsidenten übertragen werden, weil sonst zu befürchten 
wäre, daß die Maßregel vielfach zu spät käme. Diese Befürchtung ist 
entschieden beachtenswert. Schon bis der Regierungspräsident von 
dem epidemischen Auftreten einer übertragbaren Krankheit erfährt, 
vergehen Tage bis Wochen; durch seinen Bericht an den Minister der 
Medizinalangelegenheiten und durch die Herbeiführung eines Beschlusses 
des Staatsministeriums vergeht eine weitere kostbare Zeit. Zum min- 
Kiıchner, Seuchenbekämpfung. 4
	        
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