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Zutritt des beamteten Arztes zu dem Kranken keinerlei Nachteil für
letzteren haben wird; ausnahmsweise kann dies der Fall sein, wenn
der Kranke z. B. psychisch erregt, im Stadium der Krisis befindlich
ist oder kurz zuvor eine bedrohliche Blutung gehabt hat. In solchen
Fällen wird ein taktvoller beamteter Arzt, zumal wenn er dem Kranken
nicht persönlich bekannt ist, die erforderlichen Erkundigungen von
dem behandelnden Arzte einziehen und freiwillig auf den Zutritt zu
dem Kranken verzichten.
Die Durchführung dieser, im Interesse des Kranken getroffenen
Bestimmungen ist aber ohne Nachteil für die Allgemeinheit nur mög-
lich, wenn der behandelnde und der beamtete Arzt in einem wahrhaft
kollegialen Verhältnis zueinander stehen, und beide von der Wichtig-
keit des Zusammenarbeitens durchdrungen sind. Man hat wohl die
Befürchtung geäußert, daß ein behandelnder Arzt, der mit dem be-
amteten Arzte irgendwelche persönliche Differenz hat, ihm auf Grund
dieser Bestimmung den Zutritt zu dem Kranken ohne triftigen Grund
verweigern könnte. Diese Befürchtung trifft hoffentlich nicht zu.
Unsere Ärzte werden sicherlich in jedem Falle die persönlichen den
sachlichen Interessen unterzuordnen wissen. Sicherlich werden beide
Teile, sowohl der behandelnde wie der beamtete Arzt, in jedem Falle
mit Erfolg bemüht sein, das Wohl des Kranken und das Interesse
der Allgemeinheit an einer wirksamen Bekämpfung der Krankheit
miteinander in Einklang zu bringen.
Es muß aber hier ausdrücklich festgestellt werden, daß das Recht,
dem beamteten Arzte den Zutritt zu dem Kranken zu verweigern, der
behandelnde Arzt bei den Krankheiten des Reichsgesetzes, also bei
Aussatz, Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Pest und Pocken, nicht hat,
und daß er dem beamteten Arzte den Zutritt zu der Leiche auch bei
den Krankheiten des preulischen Gesetzes niemals verweigern darf.
Um dem behandelnden Arzte die Möglichkeit zu der Abgabe der
ihm nach $S 6 Abs. 1 Satz 2 P.G. zustehenden Erklärung zu geben,
wird in den allgemeinen Ausführungsbestimmungen folgendes be-
stimmt:
„Der beamtete Arzt hat in jedem Falle, bevor er seine Ermitte-
lungen vornimmt, festzustellen, ob der Kranke sich in ärztlicher Be-
handlung befindet, und, wenn dies der Fall, den behandelnden Arzt
von seiner Absicht, den Kranken aufzusuchen, so zeitig in Kenntnis
zu setzen, daß dieser sich spätestens gleichzeitig mit dem beamteten
Arzt in der Wohnung des Kranken einzufinden vermag.“
Hierdurch wird dem Kreisarzte dasselbe Verfahren vorgeschrieben,
wie es zwischen Ärzten bei der Vereinbarung ärztlicher Konsultationen
üblich ist. In Ortschaften, in welchen sich ein Fernsprecher befindet,
oder wo die Benutzung des Telegraphen möglich ist, wird es sich in
der Regel ermöglichen lassen, daß der behandelnde Arzt und der