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Hans Heiling wuchs unter dem liebreichen Schutze der 2
gräfin zum blühenden Jüngling heran, der an den Wissenschaften, in
die ihn der Burgkaplan einweihte, mehr Gefallen fand, als an den
Ritterspielen. Er liebte die Einsamkeit, durchstreifte Wald und Flur
und beschäftigte sich unablässig mit dem Gedanken, den Urgrund aller
Wahrheit zu erforschen.
Als er zeinmal am Ufer der rauschenden Eger saß und gedanken-
voll nach dem Wasserspiegel schaute, tauchte aus demselben eine holde
Nixe empor, die mit lieblicher, wunderbarer Stimme dem Überraschten
zurief: „Ich kenne, wißbegieriger Jüngling, Deines Herzens tiefen
Kummer, die schwarze Kunst ist Dein Begehr. Diese will ich Dir
lehren, doch nur unter der Bedingung, daß Du Dich nie vermählst.“
Hans Heiling, bezaubert durch die vielversprechenden Worte, strahlte
vor Freude, daß er nach langem, erfolglosen Forschen endlich sein so
heiß ersehntes Ziel erreichen könne, und schloß mit der Wassernixe
unbesonnen den Bund. Die Nixe hielt Wort und Hans Heiling wähnte
sich der Glücklichste unter der Sonne zu sein, als er des Wissens
Drang erfüllt sah. Seit der Begegnung mit der Nixe war manches
Jahr verflossen. Da faßte Hans Heiling mit Hintenansetzen seines
gegebenen Versprechens den Entschluß, sich zu vermählen; denn er hoffte,
selbst auf seine Kunst vertrauend, die Macht des geheimnisvollen Wasser-
weibes zu hemmen. Unbesorgt veranstaltete er also die Hochzeit. Der
Tag der Trauung war erschienen und die Hochzeitsgäste hatten sich
in den Räumen des Schlosses versammelt. Schon stand der Braut-
zug vor dem Traualtare, eben wollte das glückliche Paar das Jawort
aussprechen — doa stieg plötzlich mit furchtbaren Blicken die erzürnte
Nixe aus den tobenden Wellen der Eger, ließ unter Blitz und Donner
das Schloß verschwinden und verwandelte durch ihren Fluch die ganze
Hochzeitsgesellschaft in Stein: das Brautpaar, den Mönch, die Gäste
und die Musikanten.
Friedrich Bernau bemerkt in der Comotovia (4. Jahrg. S. 17), daß die Sage
vom Hans Heiling zur Faustsage gehöre und jedenfalls durch diese erst hervorgerufen
worden sei. Der in unserer Sage angeführte Berg Krudum, südlich von Elbogen
gelegen, ist ebenso wie der Heilingsfels und die Stätte, wo einst Alt-Elbogen lag,
von mythischer Bedeutung. Ursprünglich ist Hans Heiling die „heilige Wiese“. Im
Archive zu Elbogen befindet sich ein aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
herrührendes Schriftstück, welches besagt: „Daß wißmuth So zum Stein Elpogen
gehörig, vff der Heiling wissen 2 tagwergk Machen ond haven die lethaditzer giebt
2 Fuder hew.“ Noch im Jahre 1680 wird eine „heilige Wiese“ genannt; der Zu-
satz „Hans“ kommt zu dieser Zeit noch nicht vor, ebenso wie noch heute die Rede-
weise „Am Heiling“ die allgemein übliche und gebräuchliche ist. Die in der obigen
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