Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

K Gesichte. Der Bursche fragt nach dem Begehr, erhält aber 
keine Antwort. Nachdem er sich vom Schreck etwas erholt hatte, las 
er ruhig weiter und war bemüht, die Figuren ordentlich zu deuten. 
Er sah sich wieder um und wurde zu seinem Schrecken gewahr, daß 
zu jedem Fenster ein schwarzer unheimlicher Gast hereinsah. Dabei 
war er auf seinem Sitze wie festgebannt und konnte fast kein Glied 
mehr regen. Jetzt wollte er das Buch zumachen, denn es flimmerte 
und tanzte ihm alles vor den Augen. Aber wie von einer unsichtbaren 
Macht gefesselt, konnte er seinen Blick nicht von dem Buche abwenden 
und er fing wieder an zu lesen. Plötzlich aber entstand im Hause 
ein groß Getöse und Gepolter, die Thüre flog auf und ein langer 
schwarzer Mann kam herein und blieb in der Mitte der Stube stehen. 
Der Lesende fragte zum zweiten Male, was sein Begehr sei, er- 
hielt aber wieder keine Antwort. Dabei mußte er in dem Buche immer 
weiter lesen, und es dauerte gar nicht lange, so ging das Gepolter 
von neuem los und eine zweite schwarze Gestalt trat in die Stube 
und stellte sich neben die erste hin. Ohne von seinem Buche aufzu- 
sehen, las der Bursche fort. Jetzt aber that es einen Schlag, daß 
das ganze Haus in seinen Grundfesten erschüttert wurde, Fenster und 
Thüren sprangen auf, ein blitzähnlicher Schein fuhr durch die Stube 
und eine dritte Gestalt, länger als die beiden ersten und wild von 
Aussehen, trat nun in Begleitung von allerhand Tieren, als Raben, 
Eulen und Elstern, in die Stube und stellte sich nun zwischen die beiden 
ersten hinein. Jetzt wurde es unserm Geisterbeschwörer himmelangst 
und er rief aus vollem Halse nach Hülfe. Es dauerte aber lange, 
ehe die gewünschte Hülfe kam. Endlich kam der Bruder des Burschen 
mit noch einigen Nachbarssöhnen nach Hause, und diese sahen nun, 
was vorgefallen war. Der Sohn des Wirtes, der auch mit hinzu- 
gekommen war, lief sogleich zum Pastor, welcher auch erschien, aber 
dessen Kraft zu schwach war, die Geister wieder zu bannen. Er 
gab den guten Rat, es solle doch gleich einer nach Theuma zum 
Pater reiten, der könne Hülfe schaffen. Ohne sich lange zu besinnen, 
ritt der Sohn des Wirtes nach Theuma und erzählte daselbst dem 
Pater, was vorgefallen war. Der Pater ließ sich auch bewegen mit- 
zukommen. Da er ankam, war bereits das halbe Dorf vor dem Hause 
versammelt, und sogleich begann er seine Beschwörungen. Es dauerte 
auch nicht lange, so entfernten sich die ungebetenen Gäste, nur der 
letzte hielt noch stand und wollte nicht weichen. Als aber der Theu- 
maische Pater ein großes Buch hervorzog, entfloh er unter fürchter- 
lichem Gebraus durch den Schornstein und ließ einen Schwefelgeruch 
urück. Das Buch aber, welches der Bursche gebraucht hatte, nahm 
x— 
  
217
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.