Object: Sagenbuch des Erzgebirges.

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fräulein. Darauf kamen böse Raubritter, zerstörten das Schloß, und 
ermordeten die schönen Jungfrauen. Sie leben aber doch noch, wohnen 
im Innern des Berges und bleichen im Frühlinge ihre Leibwäsche. 
II. Der Jungferngrund soll seinen Namen von zwei Jungfern 
haben, welche sich oftmals im Neumond sehen lassen. Es sind Schwe- 
stern; die eine spielt auf der Laute und die andere windet einen Kranz. 
Wer sie eigentlich sind, weiß niemand. 
Den Wiesenthalern dient der Jungferngrund auch als Wetterpro- 
phet. Denn wenn der Himmel über demselben hell ist, so wird — ob 
es auch sonst allenthalben trübe aussieht — zuverlässig schönes Wetter; 
wenn aber der Jungferngrund voll Nebel ist, so sagt man: Die Jung- 
fern trocknen ihre Wäsche! und dann folgt kalte und nasse Witterung. 
  
52. Die Burgfrau des Pürsteins. 
(Karl Jentscher in der Erzgebirgs-Zeitung, 1. Jahrg. S. 66.) 
Die Sage berichtet, daß einst in dem Bache am Schlosse Pür- 
stein ein Knabe fischte, was die Aufmerksamkeit der Burgfrau erweckte. 
Sie saß nämlich oben auf dem Söller und winkte ihrem Gemahl, 
welcher in den Krieg zog, ihre letzten Scheidegrüße zu. Heftig erzürnt 
über den Knaben, der es wagte in diesem Bache Fische zu fangen, ließ 
sie ihn sofort gefangen nehmen und vorführen. Der Vater des Kna- 
ben, der Brücknerhäusel-Besitzer gewesen sein soll, warf sich zu Füßen 
der Burgfrau und bat um Gnade, allein vergebens; ja man fesselte 
jetzt beide und warf sie in das tiefste Burgverließ. Ein Knecht öffnete 
des andern Tages den Kerker, um dem Vater die Freiheit, aber auch 
den Befehl zu bringen, daß er sofort diesen Ort und die umliegende 
Gegend zu verlassen habe, sein Eigentum sei unter die Schergen 
verteilt und sein Weib ausgejagt worden. „Und mein Kind?“ rief der 
Alte. Der Knecht deutete auf den Mühlberg, wo soeben das Haupt 
des Kindes unter dem Beile fiel und über die Höhe des Berges hinab- 
rollte. Der arme Vater, auf das tiefste getroffen, wankte langsam 
den Burgweg hinab und nie kehrte er wieder. Seitdem wurde der 
Gipfel des Mühlberges „Kopfleiten“ genannt und zum Andenken ein 
Kreuz dort errichtet, welches noch bis in die dreißiger Jahre dort stand. 
Wenn der Allerseelensonntag seine trüben Nebel über die Gegend 
wirft, dann wandelt der Knabe als eine lichte Gestalt traurig dahin, 
und aus den Felsen des Hinterwaldes ertönt ein Jammergeschrei. Die 
Burgfrau aber, von Gewissensbissen getrieben, hatte keine Ruhe mehr 
gefunden, weshalb auch ihr Gemahl das Schloß verließ und es seinen 
  
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