1 Volksglauben im sächs. Obererzgebirge während der m—n*-mY
nicht klöppeln dürfe, weil die Klöpplerinnen ihre Spitzen beschmutzen
würden, daß man die Reste von Speisen in der Christnacht auf dem
Tische stehen, oder wenigstens das in ein Tischtuch eingeschlagene Brot
daselbst liegen lasse, und daß man die Tenne in der Scheune sorg-
fältig reinige, weil die Abgeschiedenen (die Götter) um Mitternacht
dort tanzen sollen u. s. w. (Sitten und Gebräuche des sächs. Obererz-
gebirges, 1862. S. 7 — 9.)
Neben den jedenfalls aus andern deutschen Landschaften in unser
Gebirge eingewanderten Sagen entstanden in demselben auch neue und
ihm eigenartige. Schlummert doch die Phantasie nirgends und zu
keiner Zeit, und so läßt sich die Sagenbildung selbst bis in die Gegen-
wart verfolgen. Ein Beispiel möge dies beweisen. Als vor einigen
Jahren die seit Jahrhunderten verlassen gewesenen Baue des St. Georg
zu Schneeberg wieder aufgeschlossen wurden, fand man in den Erd-
und Gesteinsmassen neben zahlreichen Werkzeugen auch ein kleines guß-
eisernes Männchen. Dasselbe stellt eine harlekinartige Figur vor, welche
vielleicht ein Musikinstrument in den Händen hielt und wahrschein-
lich von einem der Trinkgefäße abbrach, die 1477 auf den bekannten
Silbertisch Herzog Albrechts gestellt wurden. Als man bald nachher
im St. Georg auch reiche Silbererze fand, da erzählten die Bergleute,
das Männchen habe so gelegen, daß es mit seinem ausgestreckten lin-
ken Arme dorthin gezeigt habe, wo man diese Erze suchen müsse.
Der den Bau leitende Beamte habe dieses Zeichen wohl verstanden.
Wenn man nun weiß, daß der betreffende Beamte die kleine Figur
gar nicht gefunden hatte, sondern daß man ihm dieselbe erst einige
Tage später übergab, so wird man zugestehen müssen, daß hier die
dichtende Phantasie der Bergknappen etwas schuf, was sich vielleicht
nach Jahrzehnten den älteren Volkssagen von wunderbaren Anzeichen
auf verborgene Schätze ebenbürtig an die Seite stellen dürfte.
Wie hier die Phantasie sich einer historischen Thatsache bemäch-
tigt hat, so thut sie dies auch in anderen Fällen, sie dichtet zu eigen-
tümlich klingenden Namen wunderbare Sagen und so werden einzelne
Felsen, Höhlen, Berge und die Reste alter Schlösser durch den poeti-
schen Sinn der Bewohner gleichsam verschönt.
Jeder Erzgebirger, der seine Heimat lieb hat, sollte sich daher
auch ihrer Sagen freuen und diejenigen, welche noch aus der Kinder-
zeit in seine alten Tage binüberklingen, treu bewahren.
Die vorliegende Sagensammlung will ihm dabei zu Hülfe kommen
und ihn mit dem Schatze dessen, was unser Volk gedichtet hat, bekannt
machen, halb Vergessenes wieder auffrischen und ihm zeigen, daß in
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