Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

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auf den Freiwald gegangen, Heidelbeeren zu suchen, und kamen unvermerkt 
an die Felsen des Greifensteines. Emsig suchten sie umher und hörten 
nicht auf einen Laut, der aus dem Felsen herabkam. Doch als das Rufen 
vernehmlicher ward und eine Frau sogar ihren Namen rufen hörte, 
eilte sie fort dem Schalle entgegen. Hoch und weit geöffnet sah sie 
plötzlich am Fuße des Felsens eine Höhle. Haufen von Gold türmten 
sich in ihrem weiten Raume auf und ein rabenschwarzer Hund bewachte 
den Eingang. Eine freundliche Stimme aus dem Innern der Höhle, 
die sie erinnerte, ihre Schürze zu füllen, belebte ihren bereits gesunkenen 
Mut und furchtlos bepackte sie sich und eilte davon. Doch mehr und 
mehr verengte sich mit jedem Schritte die Kluft und ängstlich rufend 
entfloh sie mit schnellen Schritten der Geisterhöhle. Als sie aber am 
Ausgange war, ergriff der Hund ihre Bürde mit gierigen Klauen. Das 
geängstigte Weib starb am folgenden Tage. 
  
818. Gottes Speise bei Zwickau. (Zu Nr. 435.) 
Diese Sage befindet sich auch in „Loci theologici historüi, oder 
Theologisches Exempel-Buch rc. in Ordnung gebracht durch M. Casparum 
Titium, Pfarrherrn zu Heckstedt (Leipzig, 1684)“ S. 99 folgendermaßen 
erzählt: Zu Zwickau verfällt ein Knabe, der ausgetrieben hatte, mit 
einem tiefen Schnee, den findet man erst am dritten Tage im Walde, 
als er gefragt wird: Warum er nicht das Vieh eintreibe? spricht er: 
Ist doch noch nicht Abend. Ei, sagten die Leute, ists doch schon dreimal 
Abend gewesen; der Knabe sagt: Hier nicht. Sie fragen weiter: Hungert 
dich nicht? Er antwortet: Nein, ein Mann in einem weißen Kleide 
brachte mir ein Stück Käse und Brot, davon bin ich noch satt. Wer 
wollte hier sagen, daß es nicht ein Engel gewesen? 
  
819. Die Berggeister des Greifensteins beschenken einen Wanders- 
mann. (Zu Nr. 537.) 
(Erzgebirgischer Bote, Zwickau 1809, S. 70.) 
Es zog einst aus den Ebenen von Sachsen ein Wandersmann ins 
Gebirge, von da hinab zu steigen in die gesegneten Auen von Böhmen. 
Unkundig des Gebirges verlor er den Heerweg und betrat, unwissend 
wohin er geraten möchte, einen stark befahrenen Kohlenweg, der nach 
einer Meilerstätte des Freiwalds führte. Die Nacht war im Anzuge 
und die Angst des Wanderers groß. Im blassen Scheine des Mondes 
durchzog er den Wald, durchspähete sorgsam jede Rodung und horchte 
leise atmend auf das Bellen der Hunde, welches die Abendluft aus 
  
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