Bismarck fürchtete und mußte schon im Rückblick auf
die Entstehung des Krieges von 1870 fürchten, daß die
Regierung durch eine Volksbewegung, wenn sie bedroh-
lichen Umfang annahm, fortgerissen werden würde. Denn
die französischen Regierungen sind immer von Volksbe-
wegungen viel abhängiger gewesen, als die aller anderen
europäischen Großmächte.
Hatte nun Bismarck triftige Gründe, in den Jahren,
die dem Jahrzehnk der deuksch-französischen Annäherung
folgken, zu fürchken, daß eine solche Volksbewegung das
französische Volk in ähnlicher Weise ergreifen und fork-
reißen würde wie 18702
Bei der Beankworkung dieser Frage steigk zwangs-
mäßig die Erinnerung an den Namen Boulanger
auf.
Weil dieser General am Himmel der französischen
Politik wie ein leuchtendes Meteor auftauchte und ver-
schwand, hat man ganz vergessen, daß mit ihm die deutsch—
französische Kriegsgefahr des Jahres 1887 aufs engste
zusammenhängk. Darum kann man diese Frage nichk be-
antworken, ohne daß man sich vergegenwärkigk, wie die
französische Volksstimmung, durch Boulanger aus ihrem
lakenken Zustand befreik und, aller Fesseln ledig, kaksäch-
lich den Frieden Europas bis an den Rand der Kaka-
strophe geführk hat. Es ist durchaus unrichkig, wenn der
Berichk der Senakskommission behaupkek, daß gewisse
geräuschvolle Unkernehmungen (initiatives tapageuses)
des Generals Boulanger den friedlichen Versicherungen
der französischen Regierungen gegenüber garnichk ins
Gewichk sielen. Die französische Regierung selbst war
vielmehr damals in der größten Sorge darüber, daß sie
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