Wie falsch die Ankläger Deutschlands den Zweck be-
urteilen, den der Kaiser und Graf Bülow mit diesem
neuen Versuch zu einem Zusammenschluß der drei großen
Kontinentalmächte verfolgten, geht auch aus der Beur—-
teilung hervor, die sie für einen in der „Norddeutschen
Allg. Zeitung“ vom 29. Oktober erschienenen Artikel
finden, in dem der Genugtuung darüber Ausdruck ge-
geben wurde, daß die Weisheit der russischen und der
englischen Regierung eine friedliche Beilegung des durch
die Schießerei an der Doggerbank entstandenen Konflik-
tes ermöglicht habe. Sie erklären ihn für eine heuchle—
rische Lüge, weil ja der Kaiser durch diesen neuen Versuch
gerade eine Verschärfung des Konfliktes häktte herbei-
führen wollen.
Es läßt sich an der Hand der deutschen Akken nach-
weisen, daß das Gegenkeil richtig ist. Denn in dem vom
Grafen Bülow entworfenen Brief des Kaisers an den
Zaren vom 3r. Okkober findet sich folgende Stelle:
„Nakürlich muß der verdammke Huller Zwischenfall erst
beigelegk sein, bevor wir ekwas unkernehmen und an
Frankreich herankreken. Meine Nachrichken lassen keine
Zweifel darüber, daß in dieser Frage Delcassé und Cam-
bon bereiks die französische Regierung im anglophilen
Sinne festgelegt haben. Wir würden also, wenn wir
Frankreich gerade in dieser Frage zwingen, zu oplieren,
es auf die englische Seite drängen.“ 1 Die friedliche Bei-
legung des Huller Zwischenfalls wird also hier geradezu
als die nokwendige Voraussetzung des Erfolges dieses
Versuches bezeichnek, und der Artikel der Norddeutschen
1) Akten Bd. XIX. 3, S. 370, Nr. 6133.
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