erstaunlichen Trugschluß: Deutschlands Gewalttätigkeit
hatte Osterreich jeder Selbständigkeit beraubt. In dem
nach der Konferenz von Algesiras gefallenen Ausspruch
des Kaisers vom „brillanten Sekundanten“1 wurde ster-
reichs Vasallentum aller Welt verkündigt. Darum er-
hielt der neue Minister des Außeren, Herr v. Ahren-
thal, den Auftrag, irgend etwas zu unternehmen, was
der Welt bewiese, daß Osterreich auch selbständig handeln
könne. Zum Zweck der Erbringung dieses Beweises an-
nektierke er Bosnien und die Herzegowina, folglich ist
die Gewalttätig keit des deutschen Kaisers letzten
Endes für die Kriegsgefahren verankworklich, die infolge
dieser Annexion den Frieden Europas bedrohten.
Diese Schlußfolgerung erscheink so unsinnig, daß meine
Leser vielleichk denken, ich hätte die Verfasser des Se-
naksberichts mißverstanden. Darum folge hier der Work-
laut dieses Satzes, in dem die alberne Verlogenheik der
Anklageschrift sich mit dem Fluch der Lächerlichkeit be-
1) In der französischen Übersetzung brillant second. gewi##t die-
ser Ausspruch einen verletzenden Doppelsinn, den das Work „Sekun-
dant“ nicht hat, noch im Munde des Kaisers haben sollte. Das an
Goluchowski gerichtete bekannte Telegramm des Kaisers vom 13. April
1906, in dem dlese Charalterisierung Osterreichs enthalten ist, hat übri-
gens in Wien garniche die Wirkung gehabt, die ihm der Senatsberiche
zuschreibt. Es wurde dork und nicht in Berlin veröffenclicht, und die
Presseerörkerungen, die sich daran knüpften, wurden niche dadurch ver-
anlaßk, daß man in ihm eine Verletzung der österreschischen Gleichbe-
rechtigung im Dreibunde erblickte, sondern vielmehr dadurch, daß das
dem kreuen Bundesgenossen gespendete Lob wie eine Lektion für den
treulosen Bundesgenossen,, Jtalien, betrachtet wurde. Die Genug-
tuung, die man darüber in Wien empfand, kam in der österreichischen
Presse ganz offen zum Ausdruck. S. Akeen Bd. XXI, S.3za, Nr.7139
und Anm.
Kronprine Wilhelm, Ich suche d. W. 20
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