Charakters“ wurde bekanntlich gerade während des ersten
Balkankrieges, zu derselben Zeit, zu der Herr Poincaré
immer wieder versicherte, daß er zur Erfüllung seiner
Bündnispflichten bereit sei, zustande gebracht. Sie fand
ihren urkundlichen Niederschlag in dem Briefwechsel zwi-
schen Grey und Cambon im November 1912, durch den,
wie Lloyd George am 7. August 1918 im Parlament
eingestand, England die Ehrenpflicht auferlegt wurde, in
einem französisch-deutschen Konflikt Frankreich zu Hilfe
zu kommen.
Ich will nun durchaus nicht behaupten, daß Rußland
schon während des Balkankrieges zum Zwecke der Errei-
chung des Zieles, auf das Iswolskis und Sasonows Po-
litik gerichkek war, eine europäische Konflagrakion her-
beiführen wollke. Es har sich vielmehr damals bemühr,
sie zu verhindern. Es ist aber außerordentlich bezeich-
nend, daß dem Leiker der französischen Politkik die Rück-
sicht auf die Erhalkung des europäischen Friedens, die
Rußlands Verhalken gegen Osterreich offenbarke, viel zu
weik ging. Obgleich Frankreich nur als zur Waffenhilfe
verpflichkeker Verbündeker, also nur mitkelbar daran
inkeressierk war, daß der status quo auf dem Balkan
nichk zugunsten Osterreichs und zum Schaden Serbiens
veränderk würde, legke sein Ministerpräsidenk eine viel
größere Besorgnis vor österreichischen Expansionsgelü-
sten an den Tag als Sasonow. Ich habe schon oben er-
wähnk, daß Poincaré aus eigener Inikiative am 4. No-
vember r1912 den Vorschlag machke, daß Frankreich, Eng-
land und Rußland sich darüber verständigen sollten, wie
sie sich verhalken würden, wenn Osterreich kerrikoriale
Vergrößerungen auf dem Balkan vorzunehmen gewillt
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