4 2. Wohnsitze, Namen und Sprache, Herkunft des Bayernvolkes.
Sprachforschung noch nicht einmal dämmerte, war es möglich, die Bedeutung
solcher Tatsachen zu übersehen und diese Wolstregil und Poapo, Eigil und
Wazaman, die Gründer von Feldmoching und Holzhausen, Hessellohe und
Ebersberg für Nachkommen der keltischen Bojer zu erklären. Indem man
richtig eine etymologische Verwandtschaft der beiden Namensvettern folgerte,
übersah man doch, einmal, daß dieselbe noch keine leibliche in sich schließt,
und weiter, daß auch die etymologische erst durch den dazwischen liegenden
Namen des böhmischen Landes vermittelt wird. Schon im 7. Jahrhundert
hatte der Mönch Jonas von Bobbio Bayern und Bojer verwechselt. Wie
der Irrtum hier und in verwandten Heiligenleben nur beiläufig ausgesprochen
ward, hatte er auch keine weiteren Folgen. Seine Einführung in die bayerische
Literatur rührt erst von der übelberatenen Gelehrsamkeit der Landeschronisten
des 15. und 16. Jahrhunderts, zuerst von Veit Arnpeck her. Am meisten zu
seiner Einbürgerung hat dann Aventin beigetragen und länger als sonst wohl
wahrscheinlich gewesen ward der falschen Hypothese dadurch das Leben gefristet,
daß undeutsche Gesinnung in den Tagen des Rheinbundes sie begünstigte und
politisch verwertete.
Können wir nur in einem germanischen Stamme, der einige Zeit in
Böhmen den dauernden Wohnsitz hatte, die Ahnen unserer Bayern suchen, so
werden wir schon hierdurch zu dem Schlusse gedrängt, daß die Bayern mit
den Markomannen zusammenhängen. Dieses Ergebnis wird befestigt, wenn
wir jenem Führer folgen, an den man sich in ethnologischen Fragen stets
zuerst zu wenden hat. Die Sprache der Bayern schließt nicht nur die keltische
Abkunft des Stammes aus sondern zeigt auch, welcher Platz demselben inner-
halb der germanischen Nation anzuweisen ist. Der bayerische Dialekt ist mit
keinem anderen näher verwandt als mit dem schwäbischen. Mit diesem zu-
sammen bildet das Bayerische einen deutschen Hauptdialekt, das sogenannte
Oberdeutsche. Die Schwaben oder Alamannen, was gleichbedeutend, gehören
zur suevischen Völkergruppe und haben deren Namen im verengerten Sinne
bis heute erhalten; ihren Kern bildeten höchstwahrscheinlich die alten Semnonen.
Auch die Bayern müssen also der suevisch-erminonischen Gruppe zugewiesen
werden. Als Suevenstämme nennt Tacitus, der hier durch alle sonstigen
Zeugnisse nur Bestätigung findet, außer den Semnonen die Langobarden,
Hermunduren, Narisker, Markomannen, Quaden und die kleinen Völker der
Marsinger und Burer. Von diesen sind die Langobarden nach Italien gewandert,
die Hermunduren die Ahnen unserer Thüringer. Der kleine Stamm der Narisker
saß in der heutigen Oberpfalz, im Westen der Markomannen, von denen er von
Anfang an wohl nur einen Ableger bildete; die Quaden, fast stets mit den
Markomannen zusammen genannt, wohnten in deren Osten, im heutigen Mähren,
die Marsinger und Burer in deren Rücken, etwa um das Riesengebirge.
Nehmen wir also Namen und Sprache des Volkes zusammen, so bleiben
für die Frage nach seiner Herkunft nur zwei Antworten offen: die Bayern