4. Das Land im Dämmerlichte der Geschichte. 19
und Bergnamen weisen auf die einstigen keltischen Bewohner des Landes
zurück, wie die der Isar, des Lechs, Inns u. a. Die Erhaltung aller dieser
Namen beweist auch, daß die keltische Bevölkerung keineswegs von den Römern
ausgerottet wurde, wie man früher vielfach annahm, sondern daß sie unter
römischer Herrschaft im Lande wie bisher fortlebte.
Die Zivilisation des Volkes war eine augenscheinlich sehr entwickelte,
die Wohnstättenfunde lassen auf eine gewisse Behaglichkeit der Wohnungen und
auf deren Ausstattung mit vielem Luxusgeräte, wie Spiegeln, Bronzefiguren,
Glasgefäßen, Zierat aller Art schließen; die Körperpflege wird durch die in
Grabfunden vorkommenden Bartmesser, Haarscheren, Zängelchen u. a. als
eine schon verfeinerte erwiesen. Gewebespuren an den Eisen= und Holzresten
der Gräberfunde sowie die vielen Fibeln deuten auf das Tragen von Leib-
röcken und Mänteln, von langen Frauenkleidern und Kopfschleiern 2c. hin.
Der reiche Frauenschmuck steht dem der provinzial= römischen Zeit nicht nach.
Auch die von Cäsar geschilderten gallischen Verteidigungsanlagen und
Zufluchtsstätten (oppida) finden wir in unserem Lande. Der große Ringwall
von Manching ist solch eine Volksberge in Kriegsnöten, wie ähnliche in Baden
(Zarten) und Böhmen (Stradonitz) bekannt sind. Auch die eigentlichen Be-
festigungen an Flüssen, wie z. B. an der Isar, der Mangfall, dem Lech,
welche unter dem Namen Bürgen, Burgen im Volke bekannt sind, rühren aller
Wahrscheinlichkeit nach von den Vindelikern her und stammen vielleicht aus
deren letzten blutigen Kämpfen mit den Römern um ihre Unabhängigkeit.
Wir finden also unmittelbar vor der römischen Eroberung des Landes das
Volk auf einer hochentwickelten, national eigentümlichen Kulturstufe, mehr oder
minder zivilisiert, in festem staatlichen Gefüge, mit gegliederten sozialen Ständen,
einem entwickelten Industrie= und Handwerksbetrieb, einem eigentümlichen,
ausgebildeten Ackerbau, in Städten und Dörfern wohnend, mit Verteidigungs-
anlagen und Volksburgen.
Zum erstenmal ist der Schleier, der über den Völkern der Vorgeschichte
lagert, etwas gelüftet. Wir kennen die Stammeszugehörigkeit und den Namen
des Volkes und vieler seiner Städte. Weit abgerückt ist seine Kultur von
den uns mythologisch anmutenden dunklen Lebensverhältnissen der vorgeschicht-
lichen namenlosen Völker, die auf unserem Boden vorher wohnten.
Diesen keltischen Stämmen der Vindeliker und Noriker, die ihre Wohnsitze
noch behauptet hatten, als ihre nördlich angesessenen Stammverwandten, die
Helveter und Bojer, schon dem Ansturm der Germanen weichen mußten, war es
beschieden, daß sie mit den erprobten, festgefügten Legionen und der überlegenen
Staatskunst Roms den Kampf aufnehmen mußten. Der Ausgang war schon mit
Rücksicht auf die beiderseitigen Machtverhältnisse nicht zweifelhaft, auch wenn die
keltischen Stämme nicht, wie wir dies von den Galliern durch Cäsar bezeugt
wissen, an steter Uneinigkeit gelitten hätten und politisch in fester Hand zu-
sammengehalten gewesen wären. Die Vindeliker erlagen im Jahre 15 v. Chr.
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