6. Das Land unter der Herrschaft der Römer. 23
preisgegeben werden. Dann bröckelt im Osten und im Westen immer mehr
Gebiet ab, Regensburg geht verloren, die Grenzen bilden jetzt schon im Osten
Vallatum (bei Manching) und im Westen die Illerlinie; schließlich können nur
noch die mauerumgebenen Städte behauptet werden und ain Ende zieht die
offizielle und besitzende Klasse mit dem Rest der Garnisonen über die Alpen
nach Italien zurück (488). Norikum und Nätien mit allen Städten, Staats-
gebäuden, Kunstschätzen, Staatseinrichtungen und allen Errungenschaften eines
fast 500 jährigen zivilisatorischen Wirkens werden aufgegeben und sinken zu
einem guten Teil in Trümmer, bis neues Leben aus den Ruinen erblüht.
5. Auf dem Kastrum zur Pfünz (ad pontes) bei Eichstätt.
Von Karl Zettel.)
Wo die Spuren trotziger Quadermauer; Bläst der in das Moos gestrechte
Unter Gras und Ginster liegen, Hirte hlagende Schalmei'n.
Lenht die Pflugschar jetzt der Acherbauer Zittergras und Herbstzeitlosen
Und es weiden einsam Ziegen; Blüh'n um einen Weihestein
Wo die Tuba schmetternd wechkte Und ein Kranz von wilden Rosen
Ehedem die Lagerreih'n, Rahmt der Inschrift Zeichen ein.
6. Das Land unter der Herrschaft der Römer.
Von Siegmund von Riezler.")
Mit der Eroberung durch die Römer beginnt die historische Periode für
das bayerische Land. Die Ausdehnung der römischen Herrschaft über die
Donaulandschaften war durch die Eroberung Galliens bedingt, dessen weit nach
Norden vorgeschobene Grenze eines Schutzes bedurfte.
Im Jahre 15 v. Chr. bezwangen Tiberius und Drusus, die Stief-
söhne des Augustus, nach erbittertem Kampfe die Völkerschaften im heutigen
Tirol, in der Ostschweiz und auf der Schwäbisch-Bayerischen Hochebene westlich
vom Inn. Die unterworfenen Länder wurden von den Römern als zwei
Provinzen eingerichtet: Rätia und Norikum. Deie erstere begriff auch
Vindelikien und zeitweilig das obere Rhonetal, reichte westlich bis Pfyn (Fines)
im Thurgau und in das Gebiet der Donauguellen, östlich bis zum Inn, süd-
lich bis in die Gegend von Klausen und Meran. Bei Partschins und Seben
standen Zollstätten. Als glänzendste Kolonie Rätiens erhob sich Augsburg,
Augusta Vindelicorum. Auf bayerischem Boden aber befand sich in Rätien
keine bedeutende Stadt und überhaupt war Rätien, wie es scheint, weniger
bevölkert als Norikum. Schuld daran trug wohl nicht nur die höhere, also
auch rauhere Lage, sondern vielleicht auch der Umstand, daß die Bevölkerung
1) Dichtungen, S. 130. Eichstätt und Stuttgart, 1874, Krüll.
*) Geschichte Bayerns, I. Band, S. 34 ff.