Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

24 6. Das Land unter der Herrschaft der Römer. 
hier durch einen nach Römerart grausam geführten Krieg unterworfen und 
zum Teil ausgerottet worden war. 
Unter Domitian ward, zugleich als Landesgrenze und Landeswehr 
zwischen Germanien und Rätien, der Grenzwall (limes) vorgeschoben und die 
Gegend zwischen ihm und der Donau bis zur Alb mit Rätien verbunden. 
Eben dort hat sich im „Ries“ der Name der römischen Provinz bis heute 
erhalten, nachdem er noch im 16. Jahrhundert einen größeren, auch Augsburg 
umfassenden Bezirk bezeichnete. Seinen vollen Wert für die Verteidigung der 
Provinz erhielt der Grenzwall erst durch die dahinter liegende dichte Reihe 
von Kastellen. Er ging bei Eining von der Donau ab, setzte bei Kipfenberg 
über die Altmühl und bei Ellingen über die Schwäbische Rezat. Das Volk nennt 
seine stellenweise noch sichtbaren Überreste die Teufelsmauer, wie es überhaupt 
Dinge, die ihm unerklärlich sind, gern mit dem Teufel in Verbindung bringt. 
Norikum ward westlich, wenigstens von der Gegend bei Rosenheim an, 
vom Inn, nördlich von der Donau, östlich vom Ostabhange der Alpen be- 
grenzt. Zollstätten begegnen in Boiodorum (Innstadt von Passau), in Trojana 
(Atrans bei St. Oswald in Krain) und in der statio Escensis (Ischl?). 
Ihrer vertragsmäßigen Unterwerfung verdankte diese Provinz eine glücklichere 
Lage als der westliche Nachbar, sie hatte zahlreichere Städte und nahm früher 
die lateinische Sprache und italienische Kultur an. Auch unter römischer 
Herrschaft ward sie wohl noch als Königreich bezeichnet. Beide Provinzen 
aber blieben wie eine Hausmacht in der Hand des Kaisers, der sie durch einen 
Hausbeamten unter dem Titel Prokurator verwalten ließ. Der von Rätien 
führte den Titel: Procurator et pro legato provincise Raetiae et Vin- 
deliciae et vallis Poeninae. So lange dieses Verhältnis währte, standen 
in beiden Provinzen nur Hilfstruppen, die, von den Untertanen gestellt, nach 
heimischer Sitte unter den Waffen dienten. Aus den Rätiern wurden mindestens 
acht, aus den Vindelilern vier Kohorten ausgehoben, die zu den geschätztesten 
Truppen des Reiches gehörten, während die Noriker weniger Mannschaft stellten. 
An Stelle der bisherigen Organisation nach Völkerschaften oder 
Gauen trat nun in römischer Weise die nach Städten mit eigener Ver- 
waltung, denen das umliegende Landgebiet „kontribuiert“ war. Kastelle und 
Standlager, Schanzen und Warttürme, die sich nahe genug standen, um ihre 
Signale vom einen zum andern tragen zu können, deckten die Straßen, be- 
sonders aber die Donaulinie und den Grenzwall. 
Bedeutsamen Aufschwung nahmen Handel und Gewerbe, deren Ver- 
treter man oft zu Genossenschaften verbunden findet. Auch von dem Kunst- 
leben der Provinzen sind manche Zeugnisse, vornehmlich Skulpturen und 
Mosaiken, bewahrt; Schönheit und gute Erhaltung zeichnen besonders einen 
in Westerhofen bei Ingolstadt gefundenen Fußboden aus. 
Vor allen Schöpfungen der römischen Herrschaft aber beansprucht das 
Straßennetz unsere Aufmerksamkeit, weil auf ihm sicher noch in der bayerischen
	        
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