Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

74. Des Kurfürsten und Königs Max I. Joseph innere und äußere Politik. 405 
Unmöglichkeit, sollte nicht der kleinere Staat im Anprall der beiden Mächte 
zermalmt werden. Thiers enthüllt in seiner Geschichte des Konsulats und 
Kaiserreichs das Motiv, das angeblich dem Zaudern des Kurfürsten ein Ende 
setzte und ihn zum Bündnis bewog. „Der unglückliche Fürst von Bayern, 
schwankend zwischen Osterreich, welches sein Feind, und Frankreich, welches sein 
Freund war, jenes aber nah und dieses fern, und zugleich eingedenk, daß 
Bayern in früheren Kriegen beständig bald von diesem bald von jenem er- 
drückt und beim Frieden stets vergessen war, dieser Fürst wußte nicht, an wen 
er sich anschließen sollte. Er wußte wohl, daß, wenn er es mit Frankreich halte, 
er nicht bloß auf Erhaltung sondern auch auf Erweiterung seines Landes hoffen 
dürfe, sprach auch immerwährend mit dem französischen Gesandten an seinem 
Hofe, Herrn von Otto, von einem Bündnis mit Frankreich, wagte aber nicht 
es abzuschließen. Erst als Napoleon an ihn schrieb und ihn benachrichtigte, daß 
er den Feldzug gegen England aufgeschoben habe und unverzüglich mit 200 000 
Mann nach Deutschland marschieren werde, auch beisetzte, der Kurfürst werde 
zur rechten Zeit Beistand erhalten, gab dieser zum Bündnis seine Einwilligung.“ 
Was aber jedenfalls noch dringlicher die Einigung mit Frankreich empfahl, 
war die Nachricht, Osterreich habe sich in einem mit Rußland abgeschlossenen 
Vertrag den Gewinn Bayerns bis zum Inn garantieren lassen. Bei unpar- 
teiischer Erwägung aller Verhältnisse, vor allem der Tatsache, daß eben damals 
in jedem Lager selbstsüchtige Politik getrieben wurde und Recht wie Moral 
gleichsam verhüllt und vertagt waren, wird man das Bündnis, das Bayern 
am 24. August 1805 mit Frankreich schloß, wenn auch nicht rechtfertigen wollen, 
so doch entschuldigen müssen. Die bayerische Armee wurde unter Napoleons 
Oberbefehl gestellt; dagegen versprach dieser Bayern gegen jeglichen Angriff 
zu schützen und verhieß ihm beim nächsten Friedensschluß so reichen Länder- 
gewinn, daß es sich künftig aus eigener Kraft der österreichischen Einverleibungs- 
gelüste erwehren könne. 
Die erste Zusage wurde glänzend gelöst. Im raschen Siegeslauf nahm 
der große Schlachtenmeister bei Ulm eine ganze österreichische Armee gefangen, 
eilig mußten die Kaiserlichen das kurz vorher besetzte München verlassen 
und am 24. Oktober 1805 ertönte zum erstenmal das Vive Japoléon! 
in den Straßen einer deutschen Stadt. Doch nur kurze Rast gönnte sich 
der geborene Soldat. Wenige Wochen später schlug er die Schlacht bei 
Austerlitz und die hier erlittenen ungeheuren Verluste nötigten seine Feinde 
den Frieden zu Preßburg zu schließen. Er brachte auch für Bayern eine 
Erhöhung. Am 1. Jänner 1806 verkündete ein Herold in den Straßen 
Münchens, daß Kurfürst Max Joseph Titel und Rechte eines 
Königs angenommen habe. Napoleon, der am Tage der Pro- 
klamation in München verweilte, wurde, wo er sich zeigte, freudig be- 
grüßt. Glockengeläute, Kanonendonner, Jubel des Volkes verherrlichten die 
Feier.
	        
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