Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

74. Des Kurfürsten und Königs Max I. Joseph innere und äußere Politik. 409 
Fruchtbarkeit und vorteilhafte Handelslage des Landes verhießen dem Fleiß 
der Bewohner sichere Erfolge. Noch aber war die Bevölkerung der alten 
und neuen Gebiete durch Einzelverfassungen und verschiedenes Gesetz in dis- 
harmonische Massengruppen geschieden. Dieser Sonderung machte Max Joseph 
vorerst durch eine neue Landeseinteilung ein Ende, wobei nach französischem 
Vorbild nur auf natürliche, nicht auf historische Grenzen der einzelnen Provinzen 
Rücksicht genommen wurde. Nachdem solchermaßen die Staatsverwaltung er- 
leichtert und vereinfacht worden war, löste Max Joseph zuerst von allen Fürsten, 
welche die Wiener Verträge unterzeichnet hatten, sein Wort ein und gab Bayern 
eine Verfassung. 
Freiwillig schloß der gute König mit seinem Volke einen Vertrag, kraft 
dessen es fürderhin an der Regierung wahren und wesentlichen Anteil haben 
sollte, kraft dessen sich die herrschenden humanen Regierungsgrundsätze den 
Nachfolgern auf dem Throne nicht nur als fromme Wünsche sondern als 
Pflicht vererben sollten. Indem der hochsinnige Monarch freiwillig des ab- 
solutistischen Charakters seiner Herrschaft sich entäußerte, beseitigte er mit eins 
alle Schwierigkeiten, die der Verschmelzung der verschiedenen Stammescharaktere 
entgegenstanden, und schuf ein wahrhaft einiges, starkes und freies Volk. Am 
26. Mai 1818 wurde die Verfassungsurkunde proklamiert, welche 
Bayern für einen souveränen, monarchischen Staat erklärt, der mit allen seinen 
Bestandteilen an Land und Leuten, Gütern, Regalien und Renten eine unver- 
äußerliche Gesamtmasse bildet. Sie regelt die Thronfolge, gewährt Freiheit 
der Gewissen, völlige Gleichstellung der christlichen Konfessionen, sichert die 
Unantastbarkeit der geistlichen Gewalt in kirchlichen Dingen, gewährt Sicherheit 
der Personen und des Eigentums, Unaufhaltbarkeit der Rechtspflege und Gleich- 
heit der Gesetze und vor den Gesetzen mit Ausschluß aller Spezialgerichtshöfe. 
Sie verbürgt gleiches Recht jedes Bürgers zu allen Graden des Staatsdienstes, 
aber auch gleiche Verpflichtung zur Ehre der Waffen. Endlich verfügt sie den 
gleichen Anteil aller an den Lasten des Staates, aber auch einen geregelten 
Haushalt in demselben und gesicherte Verwendung der bewilligten Mittel. Eine 
Standschaft hervorgehend aus allen Klassen der ansässigen Staatsbürger mit 
dem Rechte des Beirats, der Zustimmung und Willigung, des Wunsches und der 
Beschwerde, ward zum Wächter der Verfassung eingesetzt um sie gegen willkür- 
lichen Wechsel zu schützen, aber im Fortschritt zum Besseren nicht zu hindern. 
Nie erschien das Königtum ehrwürdiger, als da Max Joseph von seinen 
Kindern und den Kronbeamten begleitet in die Versammlung der Stände trat 
und jene freiwillig übernommenen Pflichten des Monarchen gegen seine Unter-. 
tanen beschwor. 
Nichts vermochte die Gewalt und das Vermächtnis jenes Maientages zu 
beeinträchtigen und König und Volk in ihrer Treue zueinander zu erschüttern. 
Davon gab der 16. Februar 1824 das beredteste Zeugnis, als Bayern die 
Gedächtnisfeier des vor 25 Jahren erfolgten Regierungsantritts seines Herrschers
	        
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