Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

410 75. Ode an König Ludwig I1. 
beging. Ein Volksfest war's im wahren Sinne des Wortes; alle Gemüter waren 
frohbewegt und die Segenswünsche für den „besten König“ erfüllten wie Musik 
alle Lüfte. Noch erinnern sich manche Zeitgenossen mit Rührung des allem 
Prunk und aller Etikette abgeneigten, immer heiteren und leutseligen „Vater 
Max“, von dessen Herzensgüte zu erzählen das Volk nie müde wurde. Wie 
ein schlichter Privatmann promenierte er in den Straßen Münchens und hatte 
ein freundliches Wort für Bekannte und Fremde. Eine erhabene Bescheidenheit, 
denn dank diesem Manne holte Bayern binnen wenigen Jahren ein, was es 
in Jahrhunderten versäumt hatte! Die Worte, die Max Joseph an seinem 
Jubeltag zum Bürgermeister von München sprach, sind so recht charakteristisch 
für seine schlichte Größe: „Daß ihr Münchener mich liebt, die ihr mich immer 
in eurer Mitte habt, die ihr wißt, wie gut ich es mit jedem meine, das ist 
mir begreiflich; aber wie ich so viel Liebe in den Dörfern an den äußersten 
Grenzen verdient habe, wo man mich nie gesehen, das versteh' ich nicht. 
Allerdings war mein Wille immer rein und gut und meine Bayern sind eben ein 
treues, biederes Volk. Das habe ich schon offen zu den Kaisern von Osterreich 
und Rußland gesagt: ich möchte nicht mit ihren größeren Reichen tauschen. 
Ich hab' es immer gesagt und sage es jetzt als Greis wieder: Alles für 
meine Bayern, tun sie ja doch auch alles für mich!“ 
Dem schönen Leben, dessen Wahlspruch: Licht und Liebe! war, beschied 
Gott ein schönes Ende. Von Tegernsee, wo der König, wie in jedem Jahre, 
inmitten einer glücklichen Familie und im Genuß einer herrlichen Natur den 
Spätsommer 1825 verbrachte, begab er sich zur Feier des Oktoberfestes in die 
Landeshauptstadt. Am Abend des 12. Oktober wohnte er einem Balle bei, 
den der russische Gesandte zu Ehren des königlichen Namensfestes veranstaltete. 
Max Joseph war ernster als gewöhnlich, entfernte sich bald und still und kehrte 
nach Nymphenburg zurück. Am nächsten Morgen fand man ihn tot in seinem 
Bette, ein letztes Lächeln auf den Lippen. Wie im griechischen Mythos die 
Lieblinge der Götter rasch und unerwartet der Erde entrückt werden, so war 
der Gute in süßem Schlaf hinübergegangen, während ihm zu Ehren in allen 
Städten die Fenster festlich schimmerten und auf sein Wohl und seine Gesundheit 
die Gläser klangen. 
75. Ode an König Ludwig l. 
Von August Graf von Platen.1) 
Vom Sarg des Vaters richtet das Volk sich auf, 
Zu dir sich auf, mit Trauer und Stolz zugleich: 
Vertrauf'n im Blich, im Munde Wahrheit, 
Schwört es dem Sohne der Wittelsbacher. 
1) Sämtl. Werke 2. Band, S. 113, herausgegeben von Karl Goedeke. Stuttgart 
1881, Cotta. — Diese Ode übersandte der Dichter am 9. Dezember 1825.
	        
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